Ein Ressourcenproblem

Investoren ärgern sich über die Genehmigungspraxis der Berliner Bezirke. Ein Bauträger erlebte, was Bauen in der Hauptstadt bedeuten kann

Ein Wohn- und Geschäftshaus: eine Ladenzeile im Erdgeschoss, Büroräume in den ersten vier Stockwerken und Maisonettewohnungen in den zwei obersten Etagen. Das war es, was der Münchener Bauträger Ferdinand Rauch im Sinn hatte. Die Lage hatte ebenfalls ihren Reiz: An der Berliner Allee, direkt südlich des Antonplatzes, eines Stadtteilzentrums im Berliner Norden. Mitte der Neunziger Jahre war in dem Quartier weniger als die Hälfte des Altbaubestands modernisiert worden, auch für Neubauten schien es Bedarf zu geben. Eine Erkundung des Marktes ergab großes Interesse der bereits in der Nähe ansässigen Ärzte, Anwälte und Steuerberater, aus den unsanierten Altbauten in Räume mit zeitgemäßem Standard umzusiedeln.

Bebauungsplan fehlt immer noch

Kurz: Das ganze schien eine lohnende Investition zu sein. Rauch erwarb von der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft das ins Auge gefasste Grundstück, kurz danach aus einer Zwangsversteigerung eine angrenzende Fläche. Die Bauverwaltung des Berliner Bezirks Weißensee signalisierte ihm ihre grundsätzliche Sympathie für das Projekt. Allerdings sollte Rauchs Bau ein wenig höher werden als die umgebenden Gebäude und obendrein über beide Grundstücke gehen. Alles kein grundsätzliches Problem, man habe großes Interesse an der Investition, so die Reaktion des Bezirks im Juni 1998 – nur müsse man angesichts dieser Details erst das Bebauungsplanverfahren für das fragliche Gebiet zum Ende bringen, bevor man eine Genehmigung erteilen könne.

Um es kurz zu machen: Gebaut hat Rauch immer noch nicht – das Planverfahren ist nach wie vor im Fluss. Dabei wurde bereits im Oktober 1998 ein Teilungsbeschluss gefasst. Doch das war für lange Zeit auch das letzte an Aktivität, dass sich aus dem Ressort wahrnehmen ließ, wie Richard Friderichs, der Anwalt des Investors beschreibt: „Wir haben auf unsere Nachfragen jahrelang aus der Verwaltung nur gehört, dass das eben so lange dauert und dass man Prioritäten setzen müsse.“ Zwei Jahre, so meint er, hätte das Verfahren dauern dürfen.

Martin Federlein, Stadtrat der Abteilung Stadtentwicklung des Bezirks Pankow, dem Weißensee zwischenzeitlich zugeschlagen wurde, nennt das „ein Ressourcenproblem“. Man habe derzeit 168 offene Bebauungspläne im Bezirk. Er betont, dass er erst seit Sommer 2002 für das Areal zuständig sei und den fraglichen Plan fast unmittelbar nach Amtsantritt auf die höchste Priorität gehoben habe. Aber andererseits könne man sich bei der Aufstellung und der Entscheidung, welcher Plan mit Vorrang zu behandeln sei, nicht nur von wirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen. Man müsse auch die Stadtentwicklung als solche im Auge behalten.

Die Kritik an den Bezirken ist dabei kein Einzelfall. Auch das Bundesfinanzministerium attestierte den Behörden vor einigen Wochen, Anfragen würden liegengelassen werden und Termine verschleppt. Dazu unterstellte die Behörden den Berliner Verantwortlichen, für bundeseigene Grundstücke nur geringwertige Nutzungen zuzulassen um so bei der Vermarktung eigener Flächen bessere Karten zu haben.

Konventionalstrafe droht

Dem Investor und seinem Anwalt dürfte es vermutlich relativ egal sein, aus welchen Gründen genau sich ihr Verfahren so quälend langsam hinschleppt: Die monatliche Zinsbelastung für das Vorhaben liegt bei gut 11 000 Euro pro Monat. Dazu musste Rauch nach Angaben seines Anwalts tatenlos mit ansehen, wie überall in der Umgebung ähnlich gelagerte Projekte verwirklicht wurden, bis der Markt gesättigt war. Und zum guten Schluss verlangt nun auch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben gut 200 000 Euro Konventionalstraße – weil Rauch nicht, wie vereinbart, innerhalb von vier Jahren mit dem Bau begonnen hatte. Argumentation der Behörde: Hätte der Bauträger kleiner geplant, wäre auch kein B-Plan nötig geworden und alles könnte bereits verwirklicht sein.

Immerhin attestierte die Verwaltung dem Investor inzwischen schriftlich, dass dieser sich aus ihrer Sicht nichts habe zu Schulden kommen lassen, um ihm so Argumente im Streit mit der BVS zukommen zu lassen. Wie sein Anwalt berichtet, hatte dieser nämlich sogar die Kosten von knapp 70 000 Mark für den Plan aus eigener Tasche bezahlt. „Eine Finanzierung kann aber nicht zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen“, so Federlein.

Komplizierter Standort

Zum Verhängnis wurde dem Projekt dabei offenbar auch, dass Rauch sich für sein Vorhaben ein recht diffiziles Gebiet ausgeguckt hatte: Private Grundstücke, öffentliche Flächen, ein Areal, für das noch kein Bauvorhaben vorlag, Flächen, bei denen die Eigentümerfrage nicht klar war, dazu der Status als Sanierungs- und Erhaltungsgebiet. „Für den Ortsteil Weißensee das wichtigste und sensibelste, aber auch das komplizierteste Gebiet, das an die Planungsseite hohe Ansprüche stellt“, beschreibt der Stadtrat die Lage aus Verwaltungssicht.

Dass es angesichts der Lage eine gute Idee gewesen sein könnte, die zwei fraglichen Grundstücke herauszulösen und einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu erstellen, räumt auch Federlein heute ein. Auf die Idee, dies in die Tat umzusetzen, kam allerdings keiner der Beteiligten. Überhaupt ist der Anwalt des Bauträgers skeptisch, was die Begründung für die Schwierigkeiten angeht: „Man hat uns nie gesagt, dass es die Probleme wegen der Komplexizität des Areals gibt.“

„Das dauert einfach zu lang“, kommentiert auch Petra Roland, Sprecherin des Berliner Senators für Stadtentwicklung Peter Strieder den Weißenseer Vorgang. Allerdings: Man könne und wolle sich nicht in die hoheitlichen Rechte der Bezirke einmischen. Um Bebauungspläne wieder zentral zu erledigen, wie es bis zu Beginn der Neunziger Jahre üblich war, wäre zudem eine Änderung der Berliner Verfassung nötig „und die Bezirke werden das nicht wieder aus der Hand geben“.

Immerhin: Im Fall des Rauch-Projekts scheint sich ein Happy End anzubahnen. Nachdem der Anwalt an die Öffentlichkeit ging und sich mehrere Berliner Zeitungen des Projekts annahmen, läuft bei Redaktionsschluss gerade die Bürgerbeteiligung für den Bebauungsplan. Geht jetzt nichts mehr schief, könnte das Verfahren bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Ob dann allerdings noch gebaut wird, ist alles andere als sicher: „Die Rahmenbedingungen haben sich geändert“, so Anwalt Fridrichs. „Wir werden das Projekt noch einmal komplett neu durchrechnen müssen.“

 

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