Gottes Werk und Maklers Beitrag

Über den Immobilienbesitz der Kirchen ist wenig bekannt: Jahrhunderte lang zog es der Klerus vor zu kaufen, zu besitzen und zu schweigen. In Zeiten knapper Kassen hält allerdings langsam eine gewisse Transparenz Einzug. Der Versuch einer Bestandsaufnahme.

Wäre das nicht was? Historischer Bau mit in bester Kölner Zentrumslage. Großzügiger Schnitt, repräsentativ, Wahrzeichen-Charakter. Direkt am Bahnhof, Hohe Straße und Schildergasse um die Ecke - mehr 1A-Lage geht wohl nicht. Allerdings ist die Nutzung des Altbaus auf der Domplatte ziemlich eingeschränkt - und dass der Kölner Dom demnächst zum Verkauf stehen könnte, damit rechnet wohl niemand.

Allerdings werden die Zeiten härter für die Kirchen. Der Not gehorchend verabschieden sich Gemeinden, Bistümer und Landeskirchen zunehmend von der einstmals gültigen Regel, dass das, was einmal erworben wurde, die Hände des Klerus nicht mehr verlassen sollte. So machte in letzter Zeit vor allem das Erzbistum Berlin Schlagzeilen: Angesichts eines Finanzlochs von mehr als 100 Millionen Euro trennte man sich nicht nur von der Wohnungsgesellschaft Petruswerk, sondern stellte auch die bistums-eigenen Kirchen auf den Prüfstand. Bei insgesamt sechs sakralen Gebäuden wurden Verkaufsabsichten öffentlich, dass weitere folgen werden ist mehr als nur wahrscheinlich (s. Interview).

Auch andernorts macht man sich so seine Gedanken: So äußerte die die Bischöfin der evangelischen nordelbischen Kirche, Maria Jepsen, zum Jahresbeginn die Befürchtung, man werde wohl nicht alle Hamburger Kirchen halten können. Und kurz vor Redaktionsschluss meldete das Bistum Aachen ein Haushaltsloch von 50 Millionen Euro. Konsequenzen sind noch nicht bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass auch hier zumindest ein Teil der Lücke mit dem Verkauf von Tafelsilber geschlossen werden wird.

Auffällig ist, dass in solchen Fällen fast nur über die Kirchengebäude selbst diskutiert wird - und das im Gegensatz zur landläufigen Meinung, nach der der Klerus einer der größten Immobilienbesitzer der Bundesrepublik ist. "Man darf davon ausgehen", schreibt etwa Buchautor Carsten Frerk, der vor wenigen Jahren versuchte, Licht ins Dunkel zu bringen, "dass die gesamten Flächen um die zentralen städtischen Hauptkirchen herum - die mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaut sind - sich normalerweise im kirchlichen Besitz befinden."

Doch: "Normalerweise", "davon ausgehen" - genau hier liegt das Problem, wenn es darum geht, klerikalen Besitz zu beziffern: Wenn es um ihre Liegenschaften geht, halten sich die Kirchen ausgesprochen bedeckt. Zwar beziffert Frerk den Grundbesitz am Ende seiner Recherche mit gut 341 Milliarden Mark. Doch dazu musste er teils Statistiken aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts fortschreiben, den oben erwähnten Kölner Dom setzt er ohne wirklichen Beleg mit 500 Millionen Mark an, eine Zahl über die sich lange diskutieren ließe.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Bewertung liegt darin, dass es "die Kirche" so natürlich nicht gibt. Kirchlicher Immobilienbesitz zerfällt auf Gemeinden, Landeskirchen, Stiftungen, Orden, kirchliche Gesellschaften und weitere Körperschaften. Unmöglich, alles im Blick zu behalten - auch für den Klerus selbst. Die letzte Erhebung der evangelischen Kirche etwa stammt aus dem Jahr 1986 und wird heute nicht mehr herausgegeben. "Vergriffen", so die offizielle Begründung.

Dabei hat die Geldanlage in Immobilien, gerade in landwirtschaftliche Grundstücke, in der Kirche eine lange Tradition: Klöster und Bischöfe legten ihr Vermögen in Felder und Wälder an, die sie an die Bauern verpachteten. Die laufenden Kosten wurden aus dem Pachtzins bestritten. Im 20. Jahrhundert wurde vielerorts aus den Feldern Bauland, das der Philosophie folgend, in der Regel in Erbpacht vergeben wurde. Im Katholischen Siedlungsdienst sind daher knapp 50 Siedlungswerke und Wohnungsbaugesellschaften mit Anbindung an die Kirche organisiert, deren Ursprünge in der Regel in den erwähnten Grundstücken liegen.

So kommt es, dass der in Jahrhunderten gewachsene Bestand ausgesprochen heterogen ist: Hier eine Dorfkirche, dort ein Geschäftshaus, hier eine Tagesstätte, dort landwirtschaftlich genutzter Grund, einiges davon ererbt, gestiftet, mit Nutzungsbindungen versehen. "Wie viele Eigentümer von großen Portfolios neigt die Kirche dazu, sich im Bestand zu verlieren", beschreibt einer, der den Besitz des Erzbistums Berlin zu Verkaufszwecken bewerten musste. Erschwerend kommt hinzu, dass in wirtschaftlich besseren Zeiten keine Notwendigkeit zur Professionalisierung bestand und dass die Kirchen es gewohnt waren, alles in Eigenregie zu erledigen: Zwar verfügen Bistümer und Landeskirchen über Liegenschaftsabteilungen, doch wirklich professionelles Management hält vielerorts erst in Zeiten wegbrechender Einnahmen aus der Kirchensteuer Einzug. "Der Sinn externer Beratung wird in letzter Zeit immer klarer. Das ist ein Markt, der langsam aufgebaut wird", beschreibt Marcus Nitschke. Der Theologe ist einer der Inhaber des Unternehmens D:4, das berät, plant und Projekte entwickelt - mit Schwerpunkt auf kirchlichen Liegenschaften. Neben dem Theologen gehören der Architekt Jörn Focken und der Immobilien-Profi Thomas Herr zu D:4. Zu den Referenzen gehören unter anderem die Entwicklung eines neuen Nutzungskonzepts für die Zionskirche unweit des Hackeschen Markts in Berlin-Mitte oder die Erstellung eines Entwicklungskonzepts für die Immobilien der brandenburgischen Kirchengemeinde Lübben-Stadt.

Um mit der Kirche zu arbeiten, muss man bestimmte Rahmenbedingungen kennen und akzeptieren können, beschreibt Nitschke: "Dadurch, dass sich die Liegenschaften im Besitz verschiedener Gemeinden befinden, kann da nicht einfach ein Facility Manager durchgehen und sagen: ,Diese Räume stehen seit acht Monaten leer, da legen wir was zusammen.' Wenn sich einige Gemeindemitglieder entschließen, in einem ansonsten ungenutzten Raum ihre Tischtennisplatte aufzustellen, dann ist das eben so." Ein weiteres Problem: "Die Gemeinden dürfen nicht alleine entscheiden und es gibt kein geregeltes Verfahren, keine festen Abläufe." Bistum oder Landeskirche sprechen auch dann mit, wenn das Eigentum einer einzelnen Gemeinde verkauft oder umgenutzt werden soll. Dazu kommt, dass Presbyterien und Kirchenvorstände Laiengremien sind, die oft nur monatlich oder noch seltener zusammentreten. "Projektlaufzeiten von drei oder vier Jahren sind normal", beschreibt Nitschke. Investoren und Projektverantwortliche sollten über gute Nerven verfügen.

Ein Beispiel dafür, dass Transaktionen im kirchlichen Umfeld oftmals nicht einfach zu realisieren sind, ist die Frankfurter Matthäuskirche: Zwischen Bahnhof und Messe steht das an sich recht unscheinbare Gotteshaus vor der Skyline der umliegenden Bürogebäude. Das 3100 Quadratmeter große Grundstück, auf dem sich Kirche und Gemeindehaus befinden, wird auf einen Wert von rund 30 Millionen Euro geschätzt. Rein ökonomisch gesehen also recht einfach: Gemeinde auf preiswerteren Baugrund umsiedeln, Grundstück verkaufen, Gewinn realisieren. So dachte sich das im Jahr 1999 auch der Evangelische Regionalverband Frankfurt/Main, in dessen Verfügungsgewalt sich die Kirche befindet.

Allerdings ging man dabei recht undiplomatisch vor. Die Hoffnungsgemeinde, deren Gemeindekirche der Bau ist, sah sich vor vollendete Tatsachen gestellt und setzte alle Hebel in Bewegung, um ihr Gotteshaus zu erhalten. Man schaltete die Medien ein, die das Thema dankbar aufgriffen. Außerdem rief die Gemeinde die kircheninterne Gerichtsbarkeit an, verlor und ging in die jeweils nächste Instanz. Das Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau wies die Klage zwar im November 2003 letztinstanzlich ab, aber in der Zwischenzeit war der Frankfurter Immobilienmarkt in die Baisse geraten. Außerdem fand die Gemeinde in der Urteilsbegründung einen Passus, der in ihren Augen eine neue Klage möglich macht, sobald der bisher nur grundsätzlich beschlossene Verkauf konkret wird. Für einen potentiellen Investor dürften der Trubel und die Aussicht auf weitere Verzögerungen ein Engagement nicht gerade reizvoller machen.

Doch das Frankfurter Beispiel ist eine Ausnahme: In der Regel geht es beim Verkauf von Kirchen nicht darum, Erlöse zu erzielen, sondern Bewirtschaftungskosten zu sparen oder den Bau in "gute Hände" zu geben - gerade dann, wenn Sakralbauten nach einer Gemeindefusion nicht mehr benötigt werden oder wenn bei einer alten Dorfkirche aufwändige Arbeiten anstehen. Auch Verkäufe innerhalb des kirchlichen Umfelds werden gern gesehen, auch wenn das den Ertrag drückt.

Brauchen Gemeinden Bares, dann empfehlen auf Kirchenimmobilien spezialisierte Makler wie Ulrich Krenz vom in Berlin ansässigen Dialog-Mitarbeiterdienst eher den Verkauf von Wohnhäusern oder Baugrundstücken, soweit vorhanden. Letztere werden übrigens in den allermeisten Fällen per Erbbaurecht vergeben - Tribut an die oben erwähnten alten kirchlichen Leitlinien. D:4 hat darüber hinaus auch schon Konzepte für Sale-and-lease-back-Geschäfte und Partnerschaften zwischen Kirche und Privaten entwickelt. Allerdings sind bei solchen Konstrukten kirchenrechtliche Vorschriften zu beachten. Dazu kommt, dass die Organe der Kirche nicht steuerpflichtig sind und sich in der Regel auch nicht zu Marktkonditionen mit Krediten versorgen müssen, was die Geschäfte weniger reizvoll macht. Nitschke skizziert zudem das Modell einer Projektgesellschaft, in die die Kirche das Immobilienvermögen einbringt, während private Investoren von Steuervorteilen profitieren. Dass sich solche Konstruktionen auf breiter Front durchsetzen könnten, ist allerdings ebenfalls noch nicht abzusehen.

Doch sowohl Krenz als Nitschke berichten davon, dass viele der gut vermarktbaren Liegenschaften schon in den Neunziger Jahren in aller Stille zu Geld gemacht wurden. Echte Sahnestücke sind vielerorts selten geworden. Dabei sind mit den Erlösen nicht zwingend Haushaltslöcher gestopft worden: Auch in Kirche existiert der Trend, direkte Immobilienanlagen durch indirekte zu ersetzen. Diese sind meist renditestärker, zudem entfällt der Aufwand für die Verwaltung. So gilt es als offenes Geheimnis, dass die zur Union Investment Gruppe gehörende Deutsche Fonds für Immobilienvermögen DEFO eine Art Haus-Fonds-Gesellschaft der Organe der Evangelischen Kirche ist. Der DEFO-Immobilienfonds 1 wies zum 31. März 2003 ein Vermögen von gut einer Milliarde Euro aus, mit dem ein Nettoertrag von knapp 46 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. Der Fonds investiert ganz konventionell in Büro- und Gewerbeflächen, Projektentwicklungen und Logistik- oder Serviceflächen. Zur Hälfte ist der Aufsichtsrat mit Kirchenvertretern besetzt, die auch die Einhaltung ethischer Standards überwachen.

Noch konsequenter ist die Katholische Kirche vorgegangen: Im Jahr 1973 gründete sie mit der Aachener Grundvermögen Kapitalanlage GmbH ihre eigene Fondsgesellschaft. Zum Stichtag 30. September 2003 betrug das Fondsvermögen knapp 866 Millionen Euro und damit etwas weniger als das der evangelischen "Konkurrenz". Der Nettoertrag lag bei knapp 33 Millionen Euro. "Die Katholische Kirche sieht es nicht so gern, wenn sich kirchliches und weltliches Vermögen vermischen", erläutert Friedhelm Becker, Prokurist der Gesellschaft, mögliche Motive für die Gründung des kirchengetragenen Unternehmens. Investiert wird das Anlagekapital ausschließlich in Geschäftshäuser in den 1A-Lagen deutscher Städte. Das Liegenschaftsverzeichnis nennt Objekte am Berliner Kurfürstendamm genauso wie auf der Frankfurter Zeil oder am Aachener Markt.

Mit dem Attribut "konservativ" hat Becker in diesem Zusammenhang kein Problem. Durch den beschränkten Anlegerkreis könne man es sich erlauben, nur Bestand zu kaufen und in diesem Umfeld auch relativ kleine Objekte, wenn Lage und Perspektiven stimmten. Bautechnik und Verwaltung des Bestands erledigt die übrigens in Köln ansässige Aachener Grundvermögen mit rund 50 Mitarbeitern in Eigenregie, allenfalls größere Instandhaltungsmaßnahmen werden extern an ortsansässige Architekten vergeben. Einzig mit der kurzfristigen Rendite hapert es derzeit etwas - im letzten Jahr wurde daher umfangreich in die Aufwertung der Objekte investiert.

An einem wird der Fonds allerdings festhalten: "Unsere Mieter müssen in Einklang mit den moralischen Vorstellungen der Kirche stehen", erläutert Becker. Beate Uhse oder eindeutige Etablissements wird man daher in den Häusern des Fonds nicht finden. "Es gibt sogar Stimmen, die fordern, nicht mehr an McDonalds zu vermieten, weil das Unternehmen mit Ausbeutung und Raubbau in Verbindung gebracht wird." So weit will der Fonds allerdings nicht gehen, denn trotz der kirchlichen Anbindung steht man trotzdem im Wettbewerb: "Niemand kann die Gemeinden zwingen, nicht zur DIFA zu gehen. Da gibt es kaum Unterschiede zu privaten Anlegern: Auch unsere Kunden interessiert vor allem die Rendite." Dafür, so räumt Becker ein, bringt der spezielle Hintergrund in Verhandlungen gelegentlich schon Vorteile: "Ein bisschen Skepsis ist manchmal schon genommen, wenn es uns gelingt zu vermitteln, dass wir kirchliches Vermögen verwalten. Bei 2000 Jahren Firmengeschichte glauben die Partner uns schon, dass wir wissen, wie es geht."

 

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