Logistik-Immobilien boomen

Zwei Spuren LKW-Stau auf der Autobahn, Elefantenrennen im Weserbergland oder den Kasseler Bergen, Massen von 40-Tonnern, die sich pünktlich am Sonntag um 22 Uhr auf die Straßen ergießen - dass Transport und Logistik Branchen mit dynamischem Wachstum sind, weiß jeder, der regelmäßig die A2 zwischen niederländischer Grenze und Berlin befährt.

So ist das Thema in den letzten Jahren auch zunehmend ins Blickfeld der Immobilienwirtschaft geraten. Kein Wunder: Während der Büromarkt kränkelt und auch Einkaufszentren keine Garantie dafür bieten, das eingesetzte Kapital zu vermehren, liegen die Renditen im Lagerflächenbereich seit Jahren konstant bei rund acht Prozent. Für die Ballungsräume Berlin, Düsseldorf, Rhein-Main, Hamburg und München ermittelte Jones Lang LaSalle allein für das abgelaufene Jahr ein Plus von 17,5 Prozent beim Vermietungsvolumen. Dazu wird überall von einem vom Mangel an geeigneten Objekten berichtet, die Prognosen für die Zukunft gehen von einem Fortdauern des Trends aus.

Es sind mehrere Motoren, die den Logistikbereich antreiben: Hersteller von komplexen Produkten, allen voran die Autoindustrie, reduzieren die Fertigungstiefe immer weiter, komplette Baugruppen werden von den Zulieferern fertig ans Band gebracht. Konsumartikler beschleunigen den Warenumschlag und die Verbraucher lassen sich, etwa bei Internet-Bestellungen, immer mehr ins Haus liefern - statt einer LKW-Ladung Bücher in die Innenstadt verlassen so viele hundert Pakete die Hallen des Verkäufers, die alle einzeln konfektioniert und ausgeliefert werden müssen. Dazu ist Deutschland durch die EU-Osterweiterung ins Zentrum Europas gerückt. Das schafft neue Märkte und Produktionsstandorte, außerdem mehr Umschlag und Transitverkehr und macht das Land interessanter als Standort für europaweite Drehscheiben.

Hinzu kommt quer durch die Branchen ein Trend weg vom Eigentum und hin zu Miete und Leasing sowie zum Outsorcing von logistiknahen Bereichen wie etwa Vormontagearbeiten, Teilemanagement, Produktveredelung oder kundenspezifische Konfektionierung - auch dies ein Wachstumsmarkt: Rund 30 Prozent der dafür in Frage kommenden Leistungen liegen bereits jetzt in den Händen externer Dienstleister, ermittelte eine gemeinsame Studie des Beratungsunternehmens Visality und des Fachbereichs Logistik der TU Berlin. Aber erst bei zwei Drittel Outsorcing-Anteil sieht Visality-Partner Hartmut Zadek ein Ende erreicht. Die jährliche Wachstumsrate des Logistik-Dienstleistermarktvolumens sieht die Studie bei rund drei Prozent pro Jahr bis 2010.

Ein Markt für bombensichere Investments also? "Logistikimmobilien bieten ein attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis", meint Degi-Chef-Researcher Dr. Thomas Beyerle dazu. Oder weniger fachlich ausgedrückt: "Die im Vergleich zu anderen Immobilienarten höhere Rendite spiegelt das höhere Risiko wieder, das solchen Objekten anhaftet." Denn auf Nummer sicher zu bauen, ist im Logistikbereich schwieriger als etwa bei Büroräumen. Weil Logistikunternehmen für ihre Kunden immer mehr Nebenleistungen übernehmen, werden Objekte oft genau auf die geplante Nutzung zugeschnitten. Allerdings schließen die Mieter ihre Verträge in der Regel nur für die Laufzeit ab, die auch ihr Vertrag mit ihrem Kunden hat. Drei bis vier Jahre sind die Regel -Logistikimmobilien brauchen aber teils mehr als 30 Jahre um sich zu amortisieren. Weitere Risiken birgt die eingebaute Technik, Steuerungen für automatische Hochregallager etwa, die die erreichbare Miethöhe wesentlich beeinflussen kann und die deutlich kürzeren Erneuerungszyklen unterliegt als die Immobilie selbst.

Spekulativ gebaut wird daher nur selten - Entwickler halten eher Flächen vor, die dann nach Kundenwunsch bebaut werden. Dazu liegt das Augenmerk stark auf der Drittverwendungsfähigkeit, also der Möglichkeit, Immobilien auch im Nachhinein noch an die Wünsche neuer Mieter anzupassen. Als Standards haben sich Deckenhöhen von mindestens zehn Metern, Teilbarkeit, Erweiterbarkeit, Traglasten von mindestens fünf Tonnen pro Quadratmeter und ein Verhältnis von Büro- zu Lagerfläche von 10 zu 90 etabliert. Die Deutsche Post AG trägt dem übrigens Rechnung, indem man sich bemüht, europaweit alle Immobilien zu standardisieren und in Form von Modulen aufzubauen, die eine möglichst flexible Nutzung gestatten.

Angesichts der Unwägbarkeiten agieren die offenen Fonds in Sachen Logistik größtenteils eher zurückhaltend: Ankündigungen, den Anteils des Segments erhöhen zu wollen, steht ein durchschnittlicher Anteil von Lagern und ähnlichem von drei bis vier Prozent gegenüber. Degi-Researcher Beyerle sieht die Logistik auch eher als Thema für Spezialisten: "Die offenen Fonds werden ihren Anteil zwar noch steigern, aber vor allem werden wohl sich Spezialfonds des Themas annehmen. Das schafft Produktklarheit."

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung könnte darin liegen, dass zum Thema Logistikimmobilien weit weniger belastbares Zahlenmaterial zur Verfügung steht als etwa im Bürobereich: Da es weniger Abschlüsse gibt, der Trend aber zu zentralen Lagern geht, deren Flächen nicht selten bei 50 000 Quadratmetern liegen, fällt es schwerer, die Jahresumsätze zu Trends für die einzelnen Regionen zu verdichten: Bei einem Jahresumsatz von rund 150 000 Quadratmetern, wie ihn die Region München im Jahr 2004 vorweisen konnte, kann eine große Ansiedlung mehr oder weniger schon den Unterschied zwischen zweistelligem Plus oder Minus machen. Für Düsseldorf verzeichnet Jones Lang LaSalle etwa eine Steigerung um 122 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - keine Seltenheit angesichts des Zahlenmaterials.

Auch die Mieten sind schwer zu beziffern, weil sie stark an der Technik hängen. Zudem sind die Zentren der Entwicklung weniger klar definiert: Zwar können sämtliche Ballungsräume wegen des vorhandenen Konsumentenpotentials auch hohe Umsätze im Logistikbereich vorweisen. Daneben entstehen aber immer wieder auch große Lager komplett auf der grünen Wiese - wie das des Teleshopping-Senders QVC, der sich für sein 60 000 Quadratmeter großes hochautomatisiertes Lager für den ländlichen Standort Hückelhoven zwischen Düsseldorf und Aachen entschied.

"Nah am Produzenten oder nah am Kunden", umschreibt Beyerle die Kriterien für Ansiedlungen von Logistik-Unternehmen. Gute Verkehrsanbindung ist zwar Voraussetzung, reicht aber in Regel für sich allein nicht aus. Punkten können dagegen Standorte, die wie etwa Nordhessen in der Mitte Deutschlands oder wie etwa der Rhein-Main-/Rhein-Neckar-Raum in der Mitte Europas mit guter Anbindung ans Ausland liegen.

Sicher ist dagegen, dass die Akzeptanz der Branche auch in der Politik steigt und deshalb neue Grundstücke auf den Markt kommen: Galten die Logistiker in wirtschaftlich besseren Zeiten vielerorts als Schmuddelkinder - viel Verkehr, viel Flächenverbrauch und im Verhältnis dazu wenige Arbeitsplätze - tun sich Gemeinderäte und Landesregierungen inzwischen leichter mit Genehmigungen und forcieren Logistik-Ansiedlungen vermehrt durch eigene Investitionen: Hamburg, schon im Jahr 2004 Spitzenreiter mit knapp 360 000 Quadratmetern Flächenumsatz (JLL), arbeitet an einer Vertiefung der Elbe, so dass auch voll beladene Containerschiffe den Hafen anlaufen können. Bremen verfährt mit der Weser ähnlich. Am Duisburger Rheinhafen wurde Ende der Neunziger Jahre der Logport geschaffen, Leipzig erhielt eine für Interkontinentalflüge taugliche Landebahn, Nürnberg baut ein neues Terminal, das den Güterumschlag zwischen Schiene, Straße und Wasser erleichtern soll. Nordhessen schließlich etablierte sich mit Infrastrukturmaßnahmen, vor allem aber mit einer Imagekampagne als zentral gelegene Logistikregion. Den Nutzern kann ein solcher Wettbewerb nur recht sein, sorgen neue Flächen doch auch in engen Regionen wie dem Frankfurter und Münchener Raum für breiteres Angebot und wohl auch sinkende Mieten und Grundstückspreise.

So sind sich auch die Experten nicht einig in der Frage, von welchem Logistikstandort in Zukunft die größte Dynamik zu erwarten ist: Auch Berlin-Brandenburg wird gelegentlich genannt, Stuttgart bietet produzierendes Gewerbe und die Nähe zu Frankreich, in Leipzig locken niedrige Preise, ein Flughafen ohne Nachtflugverbot, die Nähe zum Osten und ebenfalls immer mehr produzierendes Gewerbe.

Allerdings zeigt auch gerade die sächsische Metropole, wie schwer sich Voraussagen treffen lassen: In der Messestadt wurden vor zehn Jahren noch vor allem Büros projektiert. Dass sich die Region zu einem Zentrum von Autoindustrie und Zulieferern entwickeln würde, ließ sich so nicht absehen. In Zukunft könnte die Frage eine Rolle spielen, wie sich die Transportkosten entwickeln. Steigen sie wieder an, könnten Unternehmen auf die Idee kommen, wieder auf kleinere Regionallager zu setzen - zumal sich diese dank moderner EDV inzwischen verwalten lassen, wie ein aufgeteiltes zentrales Lager (s. Interview). Trotzdem: Ein Überangebot an zeitgemäßen Logistikimmobilien ist derzeit nicht in Sicht, meint Hartmut Zadek von Visality: "In puncto Logistik hat Deutschland noch viel nachzuholen."

 

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