Pack die Badehose ein

Wer hier baden geht, tut das auf dem Boden einer fast hundertjährigen Tradition. Allerdings hat das Strandbad Wannsee eindeutig schon bessere Tage gesehen. Die Stiftung Denkmalschutz möchte die Sanierung mit Hilfe von Sponsoren stemmen.

Die Treppenanlagen sind marode. Rostige Geländer sprengen den ummantelnden Beton auseinander. Ziegel lösen sich aus der Verblendung, Mauern sind feucht, auch die Statik der Bauten ist zweifelhaft. Ein bisschen wirkt das Strandbad Wannsee wie Dornröschens Schloss kurz vor dem Besuch des Prinzen.

Dass hier dringend etwas getan werden muss, ist unübersehbar. Teile der Promenadengänge, die auf zwei Ebenen am Hauptbau entlanglaufen, sind gesperrt. Mangels Betonfüllung würde ein falscher Schritt den Absturz bedeuten.

Seit einigen Tagen ist das Strandbad Wannsee wieder geöffnet. Wer hier baden geht, tut das auf dem Boden einer fast hundertjährigen Tradition. Und auch wenn das Bad eindeutig schon bessere Tage gesehen hat, kommen an warmen Sommertagen auch heute noch von bis zu 15 000 Besucher, um sich in einem von Berlins prominentesten Naherholungsgebieten die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Rekord waren sogar 53 000 Gäste, gezählt am 1. Juli 1946.

Seine größte Zeit hatte das größte Binnen-Strandbad Europas, als es in der geteilten Stadt einer der wenigen Orte war, an denen der West-Berliner die Seele baumeln lassen konnte. Mit „Pack die Badehose ein“ verhalf Conny Froboess damals der Anlage zu überregionaler Berühmtheit.

Aber nicht nur Wasser, Sand und Sonne machen das Areal attraktiv – auch Architekten geraten angesichts der Bauten im Stil der klassischen Moderne ins Schwärmen. Ein Baudenkmal von europäischem Rang ist das Bad etwa für Ex-Landeskonservator Professor Helmut Engel – auch wenn das dem Laien nicht sofort ins Auge fällt. Die schlichte Architektur galt in den Zwanzigern als mondän, trotzdem ordnet sich die Gestaltung dem Grund unter, aus dem die Besucher hier sind: Na klar – baden gehen.

Natürlich stehen die Bauten längst unter Denkmalschutz, doch zum Vorteil hat das der Anlage nicht unbedingt gereicht. So kommen zu den Schäden, die der Zahn der Zeit hinterlassen hat, noch die Sünden, die bei einer Restaurierung in den Achtzigern begangen wurden, die zwar begonnen, aber nie zu Ende geführt wurde. Resultat sind etwa die schon erwähnten, nicht mehr begehbaren Promenadendecks: Aus denen wurde seinerzeit die Betonfüllung entfernt, ohne eine neue einzusetzen.

„Das ist eine liegengebliebene Baustelle“, meint Engel lakonisch dazu. Der Ex-Landeskonservator ist zusammen mit dem Architekten und Bauträger Reinhard Müller eine der treibenden Kräfte hinter der Stiftung Denkmalschutz, die schon die Restaurierung des Brandenburger Tors stemmte. Folgerichtig bemüht sich die Stiftung derzeit um den Zuschlag für die denkmalgerechte Wiederherstellung des Bades. Ein detailliertes Konzept zu Arbeitsvolumen und Finanzierung liegt bereits in der Schublade, der Senat hat seine grundsätzliches Wohlwollen für das Vorhaben bekundet – nicht zuletzt deshalb vermutlich, weil auch diesmal private Sponsoren die Arbeiten bezahlen sollen.

Dass der alte Glanz wiederkommt, ist allerdings trotz aller Sympathiebekundungen noch lange nicht sicher. Ebenfalls ein Auge auf das Bad geworfen haben auch kommerziell ausgerichtete Interessenten, die die Anlage gern kaufen oder pachten würden. Am Ende könnte dann ein Spaßbad moderner Prägung stehen, mit Wellness-Bereich, neuzeitlichen Attraktionen und eventuell den Voraussetzungen für einen Ganzjahresbetrieb.

Den Ideen der Denkmalschützer steht das ziemlich komplett entgegen. Zwar zeigt man sich nicht komplett kompromisslos, aber: wenn Sanierung, dann gemäß des historischen Vorbilds. Und auch die Nachnutzung möge bitte denkmalverträglich mit den Restauratoren abgesprochen und mit diesen gemeinsam bestimmt werden.

Die geschätzten zehn bis zwölf Millionen Euro für die Restaurierung will man größtenteils bei Sponsoren einwerben. Vor allem über zusätzliche Werbetafeln, die im Straßenbild von Zehlendorf aufgestellt werden sollen. Dazu kämen Events auf der Baustelle, um Polster für Ungeplantes zu haben. Würde alles funktionieren, könnte die Sanierung bei laufendem Betrieb ablaufen und spätestens zum Hundertjährigen der Anlage im Jahr 2007 abgeschlossen sein.

In Sachen Werbeflächen geht allerdings nichts ohne den Bezirk und der hat sich noch nicht eindeutig geäußert. Dazu kommen Berliner Ost-West-Animositäten: Wer das Bad im Westen sanieren wolle, müsse sich auch des vor der Schließung stehenden Sport- und Erholungszentrums SEZ im Osten annehmen, forderte etwa schon einmal der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Oliver Schruoffenegger. Dass die Eigentumsverhältnisse des Bads zwischen Forstverwaltung und Bäderbetrieben nicht genau geklärt sind, fällt da kaum noch ins Gewicht.

Ob Zuschlag oder nicht, ist für das finanzschwache Land Berlin letzten Endes sowieso eine Güterabwägung: Auf der einen Seite die Sanierung des Bades, dazu das Angebot, auf der Baustelle Ausbildungsplätze für arbeitslose Jugendliche zu schaffen. Auf der anderen Seite drohen Einnahmeverluste durch Einschränkungen bei der anschließenden Suche nach Betreibern. Die Politik hält sich daher bedeckt: Man habe die Absicht der Stiftung wohlwollend zur Kenntnis genommen, so die Pressestelle von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder. Aber nun müsse man sehen, ob das Konzept umsetzbar sei.

So heißt es erst einmal abwarten. Oder wie Engel meint: „Normalerweise ist es in Berlin so, dass sich alles gegenseitig blockiert, bis gar nichts mehr geht. Aber wir hoffen, dass es diesmal nicht so sein wird.“

 

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