Der Dienstleister aus der Hölle

Klaus Hammerlindl macht fast alles - für einen Euro.

Nicht so ganz einfach, mit Klaus Hammerlindl ein sachliches Gespräch zu führen. Ständig sprudeln neue Konzepte aus dem 37-Jährigen Nürnberger heraus. Er bietet an, diesen Text gleich selbst zu schreiben, offeriert einen Themensuchservice als Dienstleistung für Journalisten – da fast alles bei ihm für einen Euro zu haben ist, denkt der Autor dieses Textes übrigens derzeit ernsthaft darüber nach, das Angebot anzunehmen.

Nicht so ganz einfach, mit Klaus Hammerlindl in Kontakt zu bleiben. Da fallen Handys aus, E-Mail-Accounts laufen über und der geneigte Kunde fragt sich, ob der Tausendsassa vom Ansturm der Interessenten überrollt wurde oder sich mit den Firmeneinnahmen nach Brasilien abgesetzt hat. Wenn er ans Telefon geht, ist Hammerlindl nämlich die ultimative Ich-AG. Sein Revier sind die kleinen Handreichungen des Alltags, das, was jeder gerne erledigt hätte, sich aber nie dazu aufraffen kann, es endlich mal in Angriff zu nehmen. Er bringt Dosen zurück und kassiert das Pfand, macht sich über Stapel mit Videocassetten oder selbstgebrannten CDs her und liefert sie fein säuberlich beschriftet wieder ab, holt Konzertkarten oder die Wäsche aus der Reinigung und blockiert auf Wunsch Kneipentische, bis diejenigen, die sich eigentlich dort hinsetzen wollten, Zeit haben vorbeizukommen. Macht in der Regel einen Euro plus Verzehr, bei den Dosen ist der Dienstleister mit zwanzig Prozent dabei.

Das ist natürlich alles Unsinn. Aber diese Tatsache hält Hammerlindl nicht davon ab, die aberwitzigen Aufträge zu erledigen – mit den oben genannten Einschränkungen und ansonsten nur ganz wenigen Ausnahmen: „Es darf nicht Unethisches sein und es darf mich nicht überfordern“, erläutert der Geschäftsmann die Firmenpolitik. Sex zum Beispiel fällt deswegen aus: „Da kommen beide Punkte zum Tragen, das geht nicht.“ Auch das Angebot, für den obligatorischen Euro eine Beziehung zu trennen, hat er deshalb abgelehnt. Dafür geht die wandelnde Ich-AG auf Wunsch als Zeuge mit zum Sozialamt, liest sich für Vielbeschäftigte das Fernsehprogramm durch und gibt Empfehlungen ab oder guckt Fußballspiele im Fernsehen und gibt Basisinformationen, damit sein Kunde am nächsten Tag beim Small-Talk im Büro dabei sein kann.

Lohnt sich das denn finanziell? Rund neunzig Euro Umsatz gibt Hammerlindl an, um kurz danach zu ergänzen, dass es eigentlich schon gut 1500 sind, weil viele Kunden von sich aus realistische Preise zahlen, wenn der Alleskönner zwei Tage lang eine Computerfestplatte entmüllt. Dazu kommen die Belohnungen, die nicht aufs Bankkonto passen: Seine neue Freundin etwa, die zuerst einfach nur eine Stammkundin seines Kuschel-Weck-Services war. Im Rahmen dieses Angebots kann sich jeder, der mag, für 3,49 Euro wachkuscheln lassen – Kaffee und frische Brötchen inclusive, Einschränkungen siehe oben. Rein unternehmenspolitisch war die amouröse Verwicklung allerdings verheerend – schließlich muss der Ein-Mann-Betrieb jetzt bei seiner besten Kundin umsonst ran. Aber ansonsten fängt das Geschäft langsam an zu laufen.

Auf die Idee für die „Dienstleistungshölle Klaus Hammerlindl“ kam der gescheiterte Germanist übrigens deshalb, weil er eh jobben musste um über die Runden zu kommen. Und zwischen Tätigkeiten als Werbetexter oder Filmvorführer fiel ihm auf, dass sein Mitbewohner ein Problem hatte: „Der trinkt jeden Abend so drei Büchsen Faxe, schafft es aber nie die Dosen wegzubringen. Und weil ich sowieso den ganzen Tag mit dem Fahrrad durch die Stadt fahre, habe ich gedacht, dass man damit ja auch ein bisschen Geld verdienen könnte.“

Der oben erwähnte Zwanzig-Prozent-Deal kam zustande und als es Hammerlindl schaffte, eine einzelne in Nürnberg gestrandete Dose zuverlässig und ohne Extraspesen zu berechnen an einer Autobahnraststätte in Brandenburg abzugeben, begannen die Kunden, das Geschäftsmodell ernst zu nehmen. Die Öko-Komponente seines Gewerbes soll demnächst noch ausgebaut werden: Dann will Hammerlindl eine Tramp-Assistenz anbieten, also für echte Tramper an der Autobahnauffahrt den Daumen hochhalten, damit die währenddessen in der Kneipe noch ein Bier trinken können. Auch eine Tätigkeit als Wanderkurier ist in der Diskussion – nicht ganz so schnell wie mit dem Auto, aber dafür garantiert ökologisch wertvoll.

Das Konzept Dienstleistungshölle sieht er dabei durchaus auch als Chance für andere Existenzgründer: „Es ist spannend, macht Spaß und Du musst keine Produktionsmittel kaufen. Das Einzige, was man braucht, ist Zeit.“ Wer umgekehrt den Dienstleister auf eine Idee für ein neues Angebot bringt, wird übrigens mit dreißig Prozent am Umsatz beteiligt – macht dreißig Cents pro Auftrag.

Bleibt noch eine Traumdienstleistung, die Hammerlindl unbedingt einmal erledigen möchte und noch nie durfte: Eine chaotische Wohnung in Ordnung bringen„Ich würde alles da lassen, wo es liegt“, erläutert er. „Nachher würde ich dem Besitzer dann ein Excel-File übergeben, in dem alles erfasst und in eine logische Ordnung gebracht ist.“

In Nürnberg wirbt bereits ein Kinospot für die Dienstleistungshölle. In dem selbstproduzierten Streifen ist Hammerlindl als Kuschelwecker in Aktion zu erleben. In Berlin, dem anvisierten zweiten Firmensitz, läuft das Geschäft noch nicht gut. Aber das soll sich ändern. Demnächst muss der Alleskönner nämlich sowieso wieder dienstlich in die Hauptstadt: Er muss noch ein Joghurtglas abgeben.

 

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