Die Bravo und die Stars

Einer von drei Beiträgen aus dem Buch "50 Jahre Bravo", herausgegeben vom Archiv der Jugendkulturen.

Stars. Von wem hatten Sie Poster an den Wänden, als Sie zwischen zwölf und sechzehn waren? Von den ewigen Helden, von denen, die die Zeit überdauert haben wie nichts und mit denen man heute immer noch auf jeder Party punkten kann? Von Elvis? Den Stones? Smiths? Pixies? Blumfeld? Den Sternen?

Oder waren es am Ende doch Leute wie Gitte, Marianne Rosenberg, die Teens, Silvia Seidel, die New Kids on the Block oder die Backstreet Boys? Falls es so sein sollte, sind sie nicht alleine: Meine ersten Bravo-Poster waren von Alan and Denise, Adam Ant und von Haisy Fantaisy, einer Band, von der ich heute nicht mehr sagen kann, welchen ihrer Songs ich jemals gehört habe und wie sie eigentlich genau geschrieben werden.

Der Widerspruch ist nur scheinbar. Seine Ursache dürfte darin liegen, dass heute niemand genau weiß, welcher der Stars des Jahres 2005 die Zeit überdauern wird und wen in drei Jahren niemand mehr kennt. Das Geschäft mit den großen Namen ist daher ein sehr kurzfristiges: Drei bis vier Jahre dauert der normale Teenie-Star-Zyklus. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber ob man Nenas erste Karriere nimmt, Wham! oder - trotz all ihrer Anstrengungen - Britney Spears - in der Regel begleiten Teenie-Stars ihre Fans vom Beginn des Erwachsenwerdens bis zu dem Punkt, an dem sich andere "ernsthaftere" Interessen in der Vordergrund schieben.

Die nächste Teenie-Generation braucht dann wieder neue und unverbrauchte Helden. Pubertät ist Identitätssuche und Abgrenzung - aber abgrenzen kann man sich am besten mit Vorbildern, die genau so neu sind wie das eigene Gefühl des Erwachsenwerdens. Was schon lange auf dem Markt ist, ist Establishment und taugt nicht dazu, damit die erste eigene ernsthafte Identität zu möblieren.

Die frühen Jahre

Rückblick in die Fünfziger Jahre - der Krieg ist ein Jahrzehnt vorbei, aber noch in jedermanns Bewusstsein. Als die erste Bravo erscheint, ist die Bundesrepublik gerade erst sieben Jahre alt. Die Erwachsenen kommen langsam, sehr langsam, zu neuem Wohlstand und wollen vor allem leben. Die erste Generation der Bravo-Teenager ist gleichzeitig die erste, die die fallenden Bomben nicht mehr bewusst miterlebt hat. Mit den Halbstarken zeigt sich die erste ernsthafte Rebellion von Jugendlichen gegen die Welt der Erwachsenen.

Trotzdem sind die Helden der ersten Bravo-Jahre nicht Rock'n'Roller wie Elvis Presley, Bill Haley oder Chuck Berry. Aus heutiger Sicht ist das zunächst erstaunlich - aber auf die Mitte der damaligen Gesellschaft muss harter Rock'n'Roll in etwa so schockierend gewirkt haben wie in den Siebzigern Punkrock à la Sex Pistols. Und die Bravo will um jugendliches Publikum werben, keine Revolutionen starten.

Auf den Titeln der ersten Bravo-Ausgaben finden sich daher Menschen wie Maria Schell, Horst Buchholz oder Romy Schneider: Jung, neu, eigen, vielleicht wie Buchholz in der Pose des Rebellen, aber doch immer noch sauber und adrett - wer für solche Stars schwärmt, wird von den Eltern zwar vielleicht belächelt, aber doch noch halbwegs akzeptiert.

"Ob ich es nicht doch versuchen soll, Mutti?" Das junge blonde Mädchen dreht eine kleine Fotografie in den Händen hin und her, sieht die Mutter an, die am Herd steht und in einem Suppentopf rührt.
Das Licht in dem kleinen Raum mit den schrägen Wänden ist düster. Wenn man auf Fürsorgeunterstützung angewiesen ist, kann man sich keine starken elektrischen Birnen leisten.
"Es ist zwecklos, Kind", sagt die Mutter. "Die Fotografie ist viel zu klein und auch zu unscharf. Man kann Dich darauf kaum erkennen." (Bravo 1/58)

Vor einem Jahr noch hat Marion Michael - zumindest in der Beschreibung der Bravo - noch davon geträumt, einmal ein Star zu sein. Das Foto, um das es hier geht, soll an einen Produzenten gehen, damit der entscheiden kann, ob er dem Teenager eine Rolle gibt. Marion träumt, erbettelt sich Tanzunterricht und sie ist bereit, für ihren Traum zu arbeiten.

Als die Geschichte erscheint, ist Marion Michael natürlich schon ein Star: Nur wenig älter als die Bravo-Zielgruppe, hat sie gerade als eine Art weiblicher Tarzan mit "Liane - das Mädchen aus dem Urwald" den Durchbruch geschafft. Und nun lässt die Bravo ihre Leserinnen feststellen: Die ist ja fast genau wie ich!

Damit ist Michael geradezu der Prototyp vieler Bravo-Helden, die in den fünfzig Jahren danach noch kommen werden. Mit der Beschreibung des Umfelds und vielen anderen kleinen Tricks macht die Zeitschrift aus ihr einen Star zum Anfassen, jemanden, der ganz nah am eigenen Leben ist, jemand, der man selbst auch bald sein könnte.

"More leggs!" - Mehr Beine, rufen die amerikanischen Fotografen immer wieder, wenn sie Romy knipsen. Zuerst hat Mama Magda befohlen: der Rock bleibt unten. Inzwischen bleibt er zwar immer noch immer unten, denn Romy ist für Amerika ja "the lovely child" - das entzückende Kind, aber dafür sind die Kleider kürzer geworden. Die Beinchen sind nun zu sehen. (Bravo 5/58)

Auch Romy Schneider passt in ihren ersten Jahren ins Raster. Auch sie ist jung, hatte eine Traumrolle in den Sissy-Filmen und bei ihrem ersten USA-Besuch weicht die Bravo, zumindest dem Anschein nach, nicht von ihrer Seite.

Damals schon sind zwei Drittel aller Leser Mädchen. Weibliche Stars dienen daher im wesentlichen als Projektionsflächen, männliche Stars sind am besten gleichzeitig Vorbilder für die Jungen und ermöglichen Schwärmereien der der Leserinnen. So darf Horst Buchholz der deutsche James Dean im Mercedes SL sein, Caterina Valente bringt als Artistenkind Exotik in die Jugendzimmer, Freddy Quinn erlebt seine Abenteuer laut Bravo auch im richtigen Leben:

Totel erschöpft ist er in der Wüste zusammengebrochen. Von Beduinen wird er gerettet. Eine handelskarawane nimmt ihn mit in die Stadt Fez. Per Anhalter geht's nach Casablanca. Hier schnappt ihn die Fremdenlegion. Fieberhaft grübelt Freddy nach einem Ausweg. (Bravo 33/58)

Ganz offensichtlich hat es der Schlagerstar geschafft, aus der Wüste zu entkommen und kann der Bravo unter der Überschrift "Heimatlos" seine Geschichte erzählen. Für diejenigen, die genau wissen wollen, warum Freddy Quinn einer der Helden der deutschen Teenager ist, lässt Bravo gleich daneben einen Psychologen zu Wort kommen. Der erklärt:

Freddy Quinns Stimme, im Sprechen oder im Singen, hat nun etwas sehr Eigenartiges an sich. Sie erweckt weder den Eindruck von Härte, noch den von Weichheit. Sie schlägt einen goldenen Mittelweg ein. Auf diese Weise drängt sie sich eigentlich gar nicht auf. Man hört sie, nimmt sie auf und lässt sie in sich wirken. (Bravo 33/58)

Solche Geschichten sind auch der Tatsache geschuldet, dass das Publikum immer wieder neues von seinen Stars erfahren will. Kreative Drehs sind gefragt, um die Helden im Bewusstsein zu halten.

Dabei achtet die Redaktion nicht nur darauf, wer bekannt ist, sondern auch, wer zur Zielgruppe passt. Romy Schneider etwa wird in ihrem Leben eine große Karriere als ernsthafte Schauspielerin machen - in der Bravo ist sie nach ihrer Sissi-Zeit kein Thema mehr. Trotzdem - oder gerade deswegen. Dafür macht die Bravo doch noch ihren Frieden mit dem Revoluzzer Elvis Presley - aber erst, als dieser seinen als obszön empfundenen Hüftschwung ablegt:

Elvis kam vom Friseur nicht nur mit dem neuen Haarschnitt, Marke "Da freut sich Pappi". Etwas Wichtigeres war geschehen: Er war nun kein singender Turner mehr. Als Elvis sein erstes kotelettenbefreites Konzert gab, starrten die Elvis-Fans überrascht auf die Bühne. Der junge Mann da oben sang, wie er immer gesungen hatte. Aber jeder Rekordversuch in Bodengymnastik blieb aus. Es kam keine Synkopen-Grätsche, kein Liegestütz mit eingebautem Tremolo, und die Hüfte rollte nur leicht und nicht wie ein Fischdampfer bei Windstärke 10. (Bravo 12/58)

Der erste große Bravo-Text über den Mann aus Tupelo trägt die Überschrift "Schluss damit". Und was auch immer eine Synkopengrätsche sein mag - erst als Presley sie nicht mehr ausführt, ist er aus Bravo-Sicht jemand, für den ungestraft geschwärmt werden darf. Elvis' wilde Jahre dagegen werden erst in den Siebzigern Thema sein - während des ersten großen Fünfziger-Jahre-Revivals.


Teenie? Star? Teenie-Star!

Übertragbarkeit ist wichtig für die Bindung zwischen Star und Leser: Am besten funktionieren in der Bravo Stars, die direkt aus der Mitte der Leserschaft kommen könnten: Jung, bodenständig, eben zum Anfassen. Marianne Rosenberg zum Beispiel ist 15, als sie mit "Mr. Paul McCartney" ihren ersten Hit landet und so ins Blickfeld der Bravo rückt:

Vater Otto und Mutter Christel, Marianne und ihre sechs Geschwister - und Papagei Joey. "Ein bisschen eng ist es schon bei uns. Aber zu mehr hat's bisher nicht gereicht", sagt Marianne. "Wir verputzen ja schon zum Frühstück ein Vermögen: 23 Semmeln, an die zwei Pfund Wurst und Käse, ein halbes Pfund Butter und neun Eier. Trotzdem finde ich es toll, dass wir so eine große Familie sind. (Bravo 27/72)

Die Bravo sitzt mit am Frühstückstisch, wenn Rosenbergs in den Tag starten - und Tochter Marianne zeigt stolz Stofftiere, Fanpost und die Briefmarkensammlung ihres kleinen Bruders. Homestories sind eins der beliebtesten Mittel des Magazins, um Nähe zum Star zu erzeugen. Dabei ist Vielschichtigkeit nicht unbedingt gefragt: So wie Rosenberg das ganz normale Mädchen geben darf, interessieren am in etwa gleichaltrigen Disco-Moderator Ilja Richter vor allem seine große Klappe und die vielen Mädchen, die er als Klassenclown der Nation erobert. Motto: "'Ne feste Freundin? Davon habe ich zehn…" (Bravo 1/72).

Natürlich funktionieren diese Muster nicht nur in der Bravo: Je deutlicher sich der Trend erkennen lässt, desto mehr werden spätestens ab den Siebzigern speziell für die Zielgruppe designte Produkte in den Markt gedrückt. "Teenbeat" nennt die Zeitschrift das Phänomen - Acts wie die Osmond Brothers oder David Cassidy aus der Fernsehserie "Partridge Family" verkaufen ihre harmlosen Lieder millionenfach und setzen damit einen Trend, der später in Massen von Boybands münden wird: Vier oder fünf nette Jungs, die sich alle zufällig auf dem Sportplatz kennengelernt haben und die zufällig innerhalb einer Formation für jeden weiblichen Geschmack etwas zu bieten haben: Netter Junge von nebenan, wild und gefährlich, Sportler, Clown, wild und gefährlich - alles in einer Band.

Je mehr die Teenie-Stars zum Produkt werden, desto mehr schwindet allerdings auch der Einfluss der Bravo - zumindest im internationalen Bereich merkt man den Geschichten irgendwann an, dass die Distanz wächst: Image, Geschichten, Umfeld und das ganze Drumherum werden fix und fertig von den Managements erdacht. Der Bravo bleibt es, im Rahmen der Vorgaben ihre Stories zu machen.

Was den deutschen Markt angeht, bleibt die Deutungshoheit der Zeitschrift allerdings vorerst ungebrochen: "Tommi, bist Du in der Schule ein Versager?" fragt die Bravo in Ausgabe 23/80 Tommi Ohrner, der gerade als "Timm Thaler" zum Teenie-Schwarm geworden ist. Antwort: Nein, der Notendurchschnitt liegt bei 2,65 - alles im grünen Bereich also. Einen kompletten Teenie-Star-Zyklus lang durchlebt Ohrner zusammen mit den Bravo-Lesern eine fast normale Pubertät: Probleme mit der Schule, die erste Freundin (Gesa, 14 Jahre alt und - Respekt -: eine Klasse über Tommi), Trennung, Kinobesuche ("Alien", "Zombie"), Musik (Tommi ist "Supertramp"-Fan) - einzig das Problem mit der überbordenden Fanpost dürfte der normale Bravo-Leser nicht aus seinem eigenen Leben gekannt haben.

Die Teens - eine deutsche Boyband

1978 ist es, als eine West-Berliner Schülerband beim "Großen Preis" ihren ersten Fernsehauftritt absolviert. Die Mitglieder sind zwischen 14 und 16 Jahre alt, der Name der Gruppe ist schlicht "The Teens". Alex, Robby, Jörg, Uwe und Micha haben mit ihren Lederjacken, Halsketten und Ringel-T-Shirts den zeittypischen Mofarocker-Charme und spielen Hits wie "Gimme, gimme, gimme your Love" - für die nächsten vier Jahre werden die Jugendlichen einer der heißesten Acts sein, über den die Bravo zu berichten hat.

Hand in Hand bauen Management und die Zeitschrift die Jungen und ihr Image auf und haben damit zunächst nichts als Erfolg: Die Teens schaffen es regelmäßig aufs Bravo-Cover und die erste Deutschland-Tournee gerät zum Triumphzug. Natürlich vermittelt die Bravo ihren Lesern das Gefühl, hautnah dabei zu sein.

Kurz vor dem Konzert in der Bremer Stadthalle bekommt Robby Zahnschmerzen. Der Arzt vom Notdienst will ihm eine Spritze geben, aber Robby verzichtet. Er hat Angst, danach nicht mehr singen zu können und geht mit dicker Backe auf die Bühne. (Bravo 17/79)

Der Bravo-Fotograf darf Bilder machen, während Frontmann Robby behandelt wird. Jörg liegt nach der Show im Hotelbett und blättert in einem Motorradkatalog - "Er will sich demnächst einen ,Feuerstuhl' zulegen", meldet die Zeitschrift. Auch Robbys Mutter kommt ins Bild - sie bringt der Band nach der Show belegte Brötchen vorbei.

Die nachrichtenarme Pause nach der Tour überbrücken Band und Bravo mit einer Reihe von Gimmicks: Die "Bravo-Zentrale" verlost hundert Autogrammkarten der Teens im Portemonnaie-Format zum Immer-bei-sich-Tragen, außerdem ist nun die Zeit gekommen, um den Lesern in einer Serie von Einzelporträts das Vorleben der Bandmitglieder nahezubringen - und dabei gleich ein paar PR-Pannen vom Anfang zu korrigieren.

Nur ungern erinnert sich Jörg an den letzten Frühling. Damals - vor knapp einem Jahr - gab es um ihn Schlagzeilen, die fast seine Karriere bei den Teens beendet hätten. "Ich hatte auf den Rat der Plattenfirma und unseres Managers gehört und mich ein Jahr jünger gemacht, als ich tatsächlich war", erinnert sich Jörg. "Lange blieb das allerdings kein Geheimnis . Ich verplapperte mich mit meiner großen Klappe bei Interviews, gab manchmal mein echtes, manchmal mein erfundenes Geburtsdatum an. Und dann kamen ein paar clevere Fans dahinter. Sie wunderten sich nämlich, wie ich mit 15 schon die mittlere Reife haben und eine Lehre beginnen konnte." (Bravo 6/80)

Nach bewährter Art wird die Beichte eingepackt zwischen Kinderfotos und Infos über Jörgs ältere Schwester. Man verzeiht dem Gitarristen. Trotzdem segeln die Teens schon kurz danach in raue Gewässer: Zwar zeigt die Bravo die Band während ihrer Frühjahrstournee 1980 wie gehabt und lachend und umringt von Fans. Im Text allerdings:

Die Teens-Tournee ist die stärkste, die es je gab. Niemand merkt den Jungen an, welchen Wirbel es bei ihnen gegeben hat. Wenige Tage vor dem Tour-Start feuerten nämlich die Eltern der Jungs Manager Wolfgang Scheer. Schuld war ein Streit während der letzten Spanien-Reise. Er soll damit geendet haben, daß Scheer die Hand ausrutschte und Jörg eine saftige Ohrfeige bekam. (Bravo 14/80)

Die Eltern der Bandmitglieder nehmen die Geschäfte nun selbst in die Hand. Bassist Alex hat nach den Eskapaden keine Lust mehr, will aussteigen und sich auf die Schule konzentrieren.

"Mir machte das alles einfach keinen Spaß mehr", erzählt er. "Die Zustände bei uns wurden immer chaotischer. Oft kam erst eine Stunde vor einem Termin ein Anruf; wir mussten dann zu einer Fotosession oder einem Interview antanzen. Egal, ob wir uns bereits etwas anderes vorgenommen hatten oder nicht. (Bravo 15/80)

Band und Ex-Manager zanken sich öffentlich um Kleinigkeiten wie einen nicht besorgten Proberaum, Alex kann zum Bleiben überredet werden, die Bravo hat ihre nächsten Geschichten. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass die Außendarstellung der Band nun komplett außer Kontrolle geraten ist. Geschichten geraten in die Öffentlichkeit, über die man besser geschwiegen hätte, dazu lassen die Teens Autogrammstunden platzen und verprellen die Fans.

Natürlich ist das ein echter Flop, wenn man sich auf die Teens freut und sie nicht zu Gesicht bekommt. Aber ihr wisst ja, wie die Teens als Schüler ständig unter Zeitdruck stehen, und da ist es verständlich, wenn sie manchen Termin nicht einhalten können. (Bravo 6/80)

Die Bravo-Zentrale sekundiert der Band zwar noch, doch ist es inzwischen nicht mehr zu übersehen, dass die Teens im Abwärtsstrudel stecken: Am Ende der 1981er Tour steht die Band ohne Gage da, der Veranstalter hat sich abgesetzt.

Jörgs Mutter zu Bravo: "Ich bekam lediglich einen Anruf von der Verlobten des Herrn B. Sie teilte mir mit, dass ihr Verlobter angeblich in einem Krankenhaus in Hannover liegen würde und die Ärzte bei ihm Magen- und Darm-Krebs festgestellt hätten. Die Verlobte erklärte ferner, dass Dieter B. nicht mehr zurückkommen werde, dass er mit seinem bisherigen Leben abschließen werde." (Bravo 23/81)

Unglücklicherweise nimmt B. 32 000 Mark als Starthilfe von den Teens gleich mit in sein neues Leben. Die Bravo kürzt den Namen übrigens aus Gründen des Persönlichkeitsrechts ab, druckt aber gleichzeitig ein Foto, auf dem B. gestochen scharf zu erkennen ist. Nun kündigt Frontmann Robby seinen Abschied an - allerdings interessiert das kaum noch jemanden: "Teens - Ihre Tournee war ein Schuss in den Ofen" (Bravo 15/82) - die Meldung ist der Bravo nur noch eine knappe Viertelseite wert - "ferner liefen".

Ein einziges Mal noch schaffen es die Teens auf eine ganze Bravo-Seite - die Story ist der Nachruf auf die Band.

Robby ist in eine eigene Wohnung in Steglitz gezogen und betreibt nebenbei mit seiner Mutter seine Eckkneipe "Bauernstübchen", wo er ab und zu auch selbst hinterm Tresen steht, und für Fans dann jederzeit zu sprechen ist. (Bravo 46/82)

Alex macht sein Abitur, Jörg hat gerade seine Gesellenprüfung als Karosseriebauer beendet. Viel später werden die Teens in Interviews berichten, sie hätten während ihrer Karriere keine Mark verdient, seien mittellos aus der Zeit als Stars herausgekommen. Vier Jahre haben Auf- und Abstieg der Band gedauert - ein ganz normaler Teeniestar-Zyklus.


Gurkenmilch und Ringe - wie die Bravo Stars im Gespräch hält

Pat Boone glaubt fest daran, dass er seine Samtstimme der beharrlichen Befolgung seines Hausrezeptes verdankt: "Seit meinem zehnten Jahr esse ich vor jedem Auftreten eine saure Gurke und trinke dazu ein Glas Milch. Dann habe ich das Gefühl, dass meine Songs angenehm klingen!" (Bravo 35/58)

Die Bravo-Zielgruppe ist gierig und Stars sind ein Verkaufsfaktor. Wer also bei den Lesern funktioniert, der sollte möglichst in jeder einzelnen Ausgabe vorkommen - Britney Spears etwa schaffte es Ende der 90er Jahre ein komplettes Jahr lang, in keinem Heft zu fehlen.

Um das zu erreichen, reicht es natürlich bei weitem nicht aus, einfach nur zu berichten, an welcher neuen Platte oder welchem neuen Film Herr X oder Frau Y gerade arbeiten. Gefragt sind Neuigkeiten aus dem Privatleben, kleine bunte Begebenheiten oder gerne auch mal ein kleiner kalkulierter Skandal zwischendurch. Naturgemäß lässt sich für Zeitschriften wie die Bravo am besten mit solchen Stars arbeiten, die aktiv kooperieren, die Bravo an ihrem persönlichen Leben teilhaben lassen oder deren Agenturen zumindest in der Lage sind, den Markt mit netten Kleinigkeiten zu versorgen, die die Leute lesen wollen.

Ob Pat Boone wirklich Gurke und Milch als Auftrittsvorbereitung zu sich genommen hat, werden wir wohl nie erfahren. Aber die skurrile Geschichte funktioniert.

Nur für die Elite des Bravo-Starkanons reserviert sind die gerne in mehreren Teilen abgefeierten Star-Biografien - trifft die porträtierte Person den Nerv des Marktes, dann werden Mehrteiler wie auch der Starschnitt zum Marketing-Instrument: Fans, die einmal angefangen haben, werden sie auch die nächsten Teile der Geschichte kaufen.

Catrin tanzt. Sie tanzt mit mir auf der Tanzfläche des phantastischsten Nachtclubs der Welt: "La Perla" in der Nähe von Acapulco, Mexico. Ich bin mit dem Leben einigermaßen zufrieden. Die Musik wird von drei mexikanischen Herren geliefert. Klavier, Saxophon, Schlagzeug. Der Klavierspieler trägt eine dunkle Brille. "Blind?" frage ich Catrin. "Ja. Teddy hat ihn vor etwa zehn Jahren in Acapulco aufgelesen. Ein blinder Bettler. Teddy hat ihm geholfen und ihm Klavierunterricht verschafft." (Bravo 26/61)

Nein, kein Groschenroman. Nur ein Tag im aufregenden Leben von Caterina Valente, miterlebt Anfang der Sechziger Jahre von einem Bravo-Reporter. Das mondäne Ambiente im mexikanischen Luxus-Ferienort lässt Leser träumen und lädt gleichzeitig das Image von "Catrin" weiter auf - egal, ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht. Liz Taylors Dekollete ist der Bravo dabei genauso recht wie Fotos von Brigitte Bardot beim Hüte kaufen - der Name des Stars reicht aus, um alles zum Thema werden zu lassen.

Ein weiterer Klassiker im Repertoire aller Yellow-Press-Blätter ist die Homestory. Auch die Bravo verschließt sich dem natürlich nicht und porträtiert zum Beispiel die Männer-WG der Troggs:

Steaks und harte Eier müssen die Troggs besonders oft essen. Koch Peter Staples (22), Bassgitarrist, kann nichts anderes kochen. Deshalb springt häufig Boss Reg Presley als Küchenmeister ein. Ronnie und Chris essen allerdings lieber in schicken Restaurants. (Bravo 18/67)

Ein Jahr später sind die Bee Gees an der Reihe. Allerdings könnte man sich in deren gediegenem Londoner Wohnzimmer tagelang aus dem Weg gehen - "Es ist nicht leicht, Millionär zu sein", lautet denn auch in Ausgabe 19/68 die Schlagzeile. Das "Geiz ist geil"-Zeitalter ist offensichtlich noch weit entfernt. Fußballer Pierre Littbarski posiert dagegen Anfang der Achtziger für seine Homestory in Ballonseide und mit diversen Goldkettchen auf der Motorhaube seines getunten Alpina-BMW.

Und Littbarski hat noch etwas vorzuweisen, das von der Bravo immer gerne aufgenommen wird: ein Haustier, in diesem Fall einen Schäferhund. Außerdem wird er gerade Vater - auch dies ein Klassiker im Yellow-Press-Repertoire. Mögen andere Prominente ihr Privatleben auch schützen und aus Angst vor Entführungen Paparazzi vor Gericht zerren, die Bilder ihres Nachwuchses machen - wer seine Kinder in die Kamera hält, der rückt sein Leben weiter in die Nähe seiner Fans.

Den wichtigsten Anruf seines Lebens erhielt Brian Connolly am 3. April um sieben Uhr morgens. Er kam aus dem St. Peters Hospital in London, wo Brians Frau Marylin auf die Geburt wartete, und er bestand nur aus drei Worten: "Es ist soweit." Brian setzte sich ins Auto und raste los: "Ich wollte unbedingt bei der Geburt dabei sein und Marylin beistehen." (Bravo 23/74)

Der Sweet-Frontmann ist genauso dabei beim Kinderspiel wie zum Beispiel Wolfgang Petry - auch er in den Siebziger Jahren ein Thema für die Bravo.

Tagsüber steht er im weißen Kittel als "Saubermann" in seiner Kölner Reinigung, die ihm seit einem Jahr gehört, und betreut die Kunden. Abends zieht er sich hautenge Jeans und knallbunte Hemden an, hängt sich die Gitarre über die Schultern und tritt in Diskotheken auf. So sieht das "Doppelleben" des 25-jährigen Wolfgang Petry aus. (27/77)

Neben Petry auf dem Motorrad ist Sohn Achim einer der Hingucker der Fotostory - mit Mini-Gitarre posiert der Dreijährige zwischen den Knien von Papi.

Wer keine Kinder will, kann immer noch heiraten, so wie Thomas Anders und seine Nora, die ihre Hochzeit in den Achtzigern zum Bravo-Ereignis werden lassen: Hochzeitsgarderobe, Feier an sich, Antrag, Hochzeitsreise. Sogar die Hochzeitsnacht taugt als Aufmacher einer selbstverständlich höchst harmlosen Bravo-Story - und natürlich auch die Hochzeitsgeschenke, über die der Modern-Talking-Mann ausführlich Auskunft gibt:

"Von Noras Onkel Gerhard aus München eine italienische Eismaschine, mit der man in 20 Minuten ein Kilo Eis machen kann. Nora isst für ihr Leben gern Eis. Ich interessiere mich ja sehr für Einrichtungs-Accessoires und habe mich sehr über ein Spiegel-Tablett gefreut. Von Noras Schwestern Dolores und Marion haben wir beide Siegelringe der Familie bekommen. Außerdem waren noch eine Spieluhr mit Intarsien, ein Anrufbeantworter, ein silberner Sektkübel und goldene Notenschlüssel als Kettenanhänger dabei." (Bravo 35/85)

Die Hochzeitsnacht der beiden fiel übrigens aus - Anders begründet das damit, dass man die halbe Nacht die geschenkten Blumen in die Badewanne gepackt habe. Ob die Ehe deshalb scheiterte, ist allerdings nicht bekannt. Doch die Bravo bleibt bei ihren Stars - in guten wie in schlechten Tagen:

Eine Klageschrift über ca. 28 Millionen Mark ist das letzte, womit George Michael Ende November Schlagzeilen machte. Sie wurde ihm am Flughafen von Los Angeles in die Hand gedrückt, als er in Begleitung einer Vertrauten und Backing-Sängerin, Pat Fernandez, anreiste, um im William Theatre einen Preis für das Video über China in Empfang zu nehmen, das "Wham" bei ihrer Tournee drehten. (Bravo 1/86)

Worum geht es hier? Ein Bodyguard der Band hat einen Paparazzo eine Treppe hinuntergeworfen. Das erfahren wir aber erst einige Absätze später im Text, bis dahin gilt Michael als Missetäter. Farin Urlaub kann in der Bravo noch mit einer Führerscheinsperre gegenhalten, weil ihn die Polizei ohne Fahrerlaubnis auf einem Motorrad erwischt hat, Sigue Sigue Sputnik bringen zwei Bandmitglieder nicht mit nach Deutschland, weil die angeblich eingebuchtet worden sind.

Übrigens werden solche Texte auch in der Frankfurter Allgemeinen am meisten gelesen - die Bravo macht mit ihren Themenschwerpunkten nichts anderes, als den altbewährten Presseregeln zu folgen: Kinder, Tiere, Verbrechen, Gefühle und Sex - so etwas läuft immer. Und Heldentaten natürlich auch - vor allem, wenn Marky Mark der Held ist:

Daneben fand Marky auch noch Zeit, ein Girl, dem beim Schwimmen im Meer die Puste ausgegangen war, aus der gefährlichen Strömung zu retten. "Das ist zwar nicht so tragisch, wie es sich anhört, aber als Lebensretter kann man prima Flirts starten", meint Marky mit einem breiten Grinsen. (Bravo 15/92)


Warum weint Aaron Carter? - Stars sind kompliziert

Um hier direkt die Spannung aus dem Thema zu nehmen: Laut Bravo 38/99 weint Carter deshalb, weil ihn sein älterer Bruder und Backstreet Boy Nick Carter bei einem Konzert des Elfjährigen unverhofft auf der Bühne überrascht. Aber ob Freude der Grund ist, nervliche Überreizung, Übermüdung oder Wick Vaporub unter den Augen - Bravo-Stars sind überraschend oft tiefgründig und sensibel. Das ist ausgesprochen praktisch: Solche Phasen erlebt jeder selbst im Lauf der Pubertät - gut zu wissen also, dass es den eigenen Idolen nicht anders geht.
"Mr. Einsamkeit" hat viele Probleme setzt Bravo 1974 als Schlagzeile über einen Text, der sich mit Christian Anders befasst. Schlagerkollege Chris Roberts legt ein Heft später nach mit "Auch ich hab' meine Sorgen":

Die Frage war knallhart und kam während der letzten ZDF-Hitparade von Dieter "Thomas" Heck: "Chris, was steckt hinter Deinem fröhlichen Lachen? Bist Du so glücklich, wie Du immer wirkst?" Die spontane Antwort von Chris Roberts überraschte viele seiner Fans: "Ich fühle mich oft unsicher, zerrissen, nervös…"

Roberts hatte übrigens Lampenfieber und konnte nach eigenen Angaben partout nicht Nein sagen - vor allem zu seinen Fans, die das sicher gern gelesen haben werden. Christian Anders litt dagegen vor allem an seinem Übermaß an Ideen - und zwar in folgendem Ambiente:

Zehn Minuten später sitzen wir in dem goldbraunen Rolls Royce von Christian Anders. Er ist der einzige deutsche Schlagerstar, der sich eine solche Luxuskarosse mit eingebauter Bar leistet. Ein hochgewachsener Neger - er ist zugleich Christians Butler - sitzt am Steuer. Wir liegen in den Polstern, sehen die "Tagesschau", trinken Gin Tonic und sprechen über Zukunftspläne. (Bravo 23/74)

Natürlich ist auch das frühe, von Vater Joe verursachte Martyrium von Michael Jackson für die Bravo früher ein Thema als für den Rest der Medien. Schon 1988 titelt das Magazin: "Vom eigenen Vater kaputtgemacht?" und lässt - wohl, weil Jackson selbst als Zeuge gerade nicht zur Verfügung steht - einen alten Freund der Familie zu Wort kommen:

Reynaud: "Joe führte ein knüppelhartes Regiment. Schon morgens um 6:30 Uhr, mussten die Jungs zum ersten Mal üben. So bald sie aus der Schule zum Mittagessen kamen, ging's weiter und dann noch nach dem Nachmittagsunterricht bis zum späten Abend. Michael machte damals einen erbärmlichen Eindruck. In der Schule kam er überhaupt nicht mehr zurecht, wurde von allen gehänselt, auf der Bühne aber war er ein Star." (Bravo 13/88)

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist Reynaud übrigens gerade dabei, das Weltstar gewordene Kind von damals auf eine Milliarde Dollar Schadenersatz zu verklagen, weil Songs wie "We are the World" oder "The girl is mine" angeblich aus seiner Feder stammen. Das Info-Honorar für solche Exklusiv-Informationen dürfte da kaum noch aufgefallen sein.

Aber auch A-Ha werden gefragt: "Aus den Fehlern gelernt?", weil sie es gewagt haben, nach einer opulenten Welt-Tournee mal ein Jahr Pause einzuklinken - denkt man die Halbwertszeit eines Teenie-Stars, eine verheerend lange Zeitspanne… Und die Trennung der "Unter Uns"-Darsteller Christian Wunderlich (damals 19) und Janis Rattenni (15) weckt 1998 investigative Ader der Bravo-Redaktion:

Bravo: Wann hast Du denn gemerkt, dass sich Deine Gefühle für Janis verändert haben?
Christian: Das fing schon einige Wochen vorher an. Janis und ich haben uns nämlich den ganzen Juli über nicht gesehen. Sie machte in Spanien drei Wochen Urlaub mit ihrer Mutter. Anschließend drehte ich in New York das Video zu meiner Single. Da haben wir uns innerlich sehr entfremdet.
Bravo: War Janis wirklich die große Liebe für Dich?
Christian: Absolut. Janis war meine erste große Liebe. Sie war auch das erste Mädchen, mit dem ich geschlafen habe, und das vergisst man nie. (Bravo 39/98)


Du bist der Star! Bravo und seine Leser

Wir haben mit Caterina Valente Kaffee getrunken, können Heinz-Dieter Geyer und sein Vater erzählen. Heinz-Dieter aus Dortmund und gehörte zu den Gewinnern der Berlin-Reise aus dem großen Bravo-Preisausschreiben "Stars laden Bravo-Leser ein". (Bravo 26/61)

Da sitzt er nun auf dem Bravo-Foto, der Hans-Dieter aus Dortmund, hält ordentlich seine Tasse an, damit ihm die Frau Valente Kaffee nachschenken kann. Schuld daran ist natürlich das Sprachrohr der deutschen Teenager - denn von Anfang an bemüht sich die Bravo darum, ihre Leser auch mal einen Abglanz ihrer Stars erhaschen zu lassen.

Dass die Bravo-Ottos für die beliebtesten Idole von Lesern überreicht werden, gehört schon früh zum normalen Repertoire - auch dann, wenn dafür ein aufgeregter Teenager nach Los Angeles geflogen werden muss, um etwa Neil Diamond seine Trophäe zu übergeben. Auch Interviews mit Lesern am Telefon laufen ausgesprochen gut:

Michael Schröter, Ravensburg: Findest Du es richtig, wenn sich ein Girl oder ein Boy seinem Star anpasst?
Manuela: Ganz ehrlich: nein. Ich finde, jeder Mensch sollte seine eigene Persönlichkeit haben und sein eigenes Ich verkörpern. Man kann schon mal ein bisschen mogeln, und wenn man jemanden besonders mag, kann man die Frisur nachmachen oder die Kleider, aber wirklich nur, wenn es einem selbst auch steht. (Bravo 18/67)

Elke (15): Ich habe gelesen, dass immer mehr Jugendliche durch übermäßigen Konsum von Cola mit Rum dem Alkohol verfallen. Ist das nicht noch gefährlicher als Haschisch?
Juliane Werding: Ja, aus meiner Sicht ist regelmäßiger Alkoholkonsum in großen Mengen viel schwerwiegender, weil dadurch die Leber zerstört wird. Vom Kiffen allein passiert das nicht. Es verleitet aber viele dazu, zur Abwechslung mal ein bisschen LSD zu probieren oder "nur zum Spaß mal" zu fixen. (Bravo 10/73)

Aber die Bravo tut noch mehr: Immer wieder eröffnet die Zeitschrift ihrem Publikum die Möglichkeit selbst aufzusteigen in den Olymp der Stars - zwar nur als winzige Chancen im Rahmen von Wettbewerben oder Preisausschreiben, aber immerhin. In den Siebziger und Achtziger Jahren lässt die Zeitschrift etwa Boy und Girl des Jahres wählen - und porträtiert Endrundenteilnehmer und Sieger so wie Brian Connolly oder Suzi Quatro. Bravo-Boy 1974 Michael Renker posiert wie ein Popstar mit langen Haaren und blanker Brust unter der Jeansjacke:

Michael bittet uns in seinen "Keller", den er sich selbst eingerichtet hat. Wir hocken auf Matratzen, Michael legt Platten auf - und als dann noch ein paar Mädchen eintrudeln, ist mitten am Tag die schönste Party im Gang. Die Jungs führen uns ihren selbst erfundenen Tanz vor, den sie "Tempel" nennen. Sie knien auf dem Boden und wirbeln mit Oberkörper, Armen und Haaren zur Musik wild herum. (Bravo 24/74)

Dem Bravo-Girl des Jahres eröffnen sich sogar noch weitere Chancen: Sie darf zur Wahl der Internationalen Teen-Prinzessin antreten - so wie Anita, die 1968 den Sonderpreis der Miss Happiness einheimsen kann.

"Ein Augenblick, in dem sogar mir das Lachen schwerfiel. Ich war so gerührt von dem Sonderpreis, dass mir fast die Tränen kamen." Gleich nach der Wahl setzte die Internationale Teen-Prinzessin 1968, Elahe aus Persien, dem Bravo-Girl Anita ihre Krone auf: "Diesen Preis verleihe ich Dir - Du hast das schönste Lächeln." (Bravo 19/68)

Zusätzliches Futter für Teenager-Träume… Weiter unterfüttert wird das durch Fotoromane und Fortsetzungscomics wie "Peggy und der Millionär - Die Abenteuer eines Mädchens, das als Fotomodell Karriere macht" (1972) oder "Nina wird ein Popstar" (1989):

Was bisher passiert ist: Ninas erste Schallplatte hat voll eingeschlagen. Produzent Günther ist stolz auf sie und lädt sie übers Wochenende in die Berge ein. Dabei beschwört er Nina, dass ihre zweite Nummer den Erfolg der ersten noch weit übertrumpfen wird. Der Karriere wegen hat sie die Schule so weit vernachlässigt, dass sie durchfällt. Und mit Michael, ihrem Freund hat sie auch nicht mehr viel am Hut. (Bravo 51/89)

Botschaft: Gräm Dich nicht, wenn Du kein Star bist - da ist auch nicht alles Gold. Passend dazu sitzt Nina im ersten Bild der neuen Folge und hält ein Telefon, auf dem die Plattenfirma nicht anruft. Wie auch, wenn der Hörer abgehoben ist? Auch als das Fernsehen die Daily Soaps à la "Gute Zeiten schlechte Zeiten" entdeckt, castet Bravo natürlich mit - schließlich haben Zuschauer und Bravo-Leser eine große Schnittmenge und neben dem Glamour fällt sowohl für Sender als auch für Zeitschrift eine Menge PR ab:

Du bist ein cooler Junge und hast keine Angst vor der Kamera? Dann suchen wir Dich für "Unter uns"! Wenn Du schon erste Schauspiel-Erfahrung gesammelt hast, bereits mit der Schule fertig und über 16 Jahre alt bist, dann schicke uns sofort Deine Bewerbung. (Bravo 45/04)

Übrigens keine neue Idee: Schon in den Fünfziger Jahren suchte und fand die Bravo so einen Co-Star für Horst Buchholz - und löste damit eine wahre Leserbriefschlacht aus: Die erwählte Kandidatin war gerade erst 13 und die Bravo-Leserschaft in dieser Hinsicht überraschend konservativ.

Außerdem lässt die Zeitschrift ihre Leser mehrfach Mode machen, Songtexte für die Spencer Davis Group und die Bots schreiben - und wenn der Anlass es erfordert, dann kann man mit Bravo-Lesern auch regelrechte Kampagnen starten. Etwa dann, wenn ein böser Produzent droht, keine neuen Winnetou-Filme zu drehen:

Es ist allerhand, was sich Herr Wendlandt erlaubt. Er kann uns nicht einfach Winnetou nehmen. - Annemarie A., Pörnbach

Nie mehr Winnetou? Ich bin wie erschlagen. Das halte ich nicht aus. Wir wollen Winnetou! - Jutta S., Berlin

Was würde wohl Herr Wendlandt sagen, wenn er noch ein Junge wäre? - Henrike H., Jever (Bravo18/67)

Nur drei von vielen Briefen, die die Bravo veröffentlicht. "Eine Welle der Empörung", so das Blatt, ist entfacht. Ähnlich kontrovers werden in den Neunzigern die operierte Nase von Sabrina Setlur diskutiert oder das Image von Rammstein. Nur ein einziges Mal, natürlich in den sexuell befreiten Siebzigern, featured die die Bravo allerdings ein Star-Treffen der besonderen Art mit David Cassidy:

Wie aus Spaß nahm David mich in seine Arme - wir alberten ein bisschen rum. Plötzlich hatten wir beide unsere Gefühle nicht mehr unter Kontrolle - und so passierte es dann. David gab mir nie das Gefühl, dass er es darauf anlegte oder mich ausnützen wollte. Ich spürte, dass er mich wirklich mochte. Er war so lieb und zärtlich und ich war irrsinnig verliebt in ihn." (Bravo 25/77)

Den Rest können Sie sich denken, oder?


Bad Guys - die Bravo führt Krieg

Von der Bravo gemocht und ins Blatt gehoben zu werden, kann der Karriere als Musiker und Schauspieler sehr helfen. Allerdings gibt es in 50 Jahren eine ganze Reihe von Fällen, in denen zwischen Künstlern und Zeitschrift offene Kriegshandlungen ausbrachen - interessanterweise sind die Beteiligten meist Menschen, deren Ruhm die trotzdem - oder gerade wegen - des schlechten Drahts zur Zeitschrift die Zeit überdauerte. Bad News scheinen doch meist Good News zu sein.

"Hat O.W. sich unmöglich benommen?" fragt etwa in Ausgabe 5/58 die Bravo. O.W., das ist O.W. Fischer, der bei einer Filmpremiere dezent ins Nationalistische abgerutscht war. Peter Boenisch, der Gründungs-Chefredakteur der Zeitschrift war ein ausgesprochen politischer und vom Zweiten Weltkrieg geprägter Mann:

Man spricht schon wieder von einem O.W. Fischer-Skandal. Bei der Premiere des El-Hakim-Films in Nürnberg hat er eine Rede an sein Publikum gehalten und darin kamen Sätze vor wie: "Das Ausland und der ausländische Film werden bei uns maßlos überschätzt." - "Deutsch ist nicht mehr modern, das Selbstbewusstsein ist zertreten." - "Unser Masochismus ist so weit gediehen, dass unsere Sprache mit fremden Worten ausgedrückt wird." - "Die deutschen Intellektuellen verachten unsere Leistung." (Bravo 5/58)

Damit hat sich die Zeitschrift auf den exzentrischen Akteur eingeschossen: In der Folge wird sie seine Filme einer besonders kritischen Wertung unterwerfen und ihre Leser ein bisschen scheinheilig fragen: "Ist O.W. schon zu alt?". Nein, sagen die Leser - Fischer bleibt auch nach dem Skandal ein heißer Otto-Anwärter, an dem das Blatt nicht vorbei kommt.

Auch das Privatleben der Stars unterliegt in den Anfangsjahren einer kritischen Betrachtung: Mit einem riesigen "Widerlich!" überschreibt die Bravo einen Text über die Schauspielerin Susanne Cramer. Später rechtfertigt man sich dafür:

Aber es war nötig, denn die Skandal-Susanne hatte, nachdem sie sich gerade erst bei der Einnahme von Schlaftabletten zu Gunsten der pharmazeutischen Industrie verzählt hatte, mit ihrem Mann eine Ohrfeigen-Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Zwei Tage später werden Susanne und Helmuth Lohner blitzgeschieden. Nach der Scheidung fiel man sich wieder schluchzend in die Arme und auch die Großzügigsten fanden nun, dass man Susanne bremsen musste. (Bravo 35/58)

Abgesehen von dem feinen Sarkasmus, der dem Text innewohnt - die rätselhafte Versöhnung zwischen "Skandal-Susanne" und Bravo legt den Verdacht nahe, dass irgendwo im Hintergrund dezent die Friedensverhandlungen geführt wurden.

Was die Zeitschrift allerdings überhaupt nicht leiden kann, ist Fehlverhalten gegenüber den Fans, respektive der eigenen Leserschaft. Dabei macht sie auch vor Weltstars nicht Halt.

Sie leben von den Fans. Aber sie verachten ihre Fans. Sie begeistern Millionen. Aber sie pfeifen darauf. Sie verdienen Millionen. Aber sie tun immer weniger dafür. Wenn die Stones so weitermachen, ist es mit ihrem Weltruhm bald vorbei. (Bravo 18/67)

Die für Bravo-Verhältnisse auch damals schon riesige Textmenge von drei Druckseiten widmet das Magazin dem Umgang der Rolling Stones mit ihren Fans. Die denken nämlich überhaupt nicht daran, ihre Fans so zu behandeln, wie es Bravo-Stars normalerweise eben tun. Sie sind arrogant, schubsen Autogrammjäger aus dem Weg, pöbeln Veranstalter an und lassen keine Gelegenheit aus, an ihrer Rüpel-Pose feilen. Die Bravo liefert den gefrusteten Fans ein Forum und erwähnt noch süffisant, dass Mick Jagger und Keith Richards "in ihrem englischen Heimatland in eine Rauschgift-Affäre verwickelt" sind.

Abgesehen davon, dass sich die Prophezeiung der Bravo in Sachen Weltruhm der Stones als nicht ganz zutreffend erwiesen hat - das Temperatur zwischen Band und Blatt liegt danach deutlich unter null: Zwar berichtet man dann und wann - Chronistenpflicht - von einem Konzert oder einer Platte der Band. Mehr ist aber nicht mehr drin. Und allem Ruhm zum Trotz - in ihrer ganzen Karriere erobern die Stones nur einen einzigen Silbernen Bravo-Otto. Für eine Band dieses Formats ist das weniger als nichts.

In den Siebzigern wird der Skandal dann kalkulierter und die Berichterstattung der Bravo gelegentlich etwas scheinheilig - etwa wenn es um Alice Coopers Schock-Rock-Show geht: "Was soll der Quatsch mit der Enthauptung?" fragt das Magazin in Ausgabe 24/73, als in London die Guillotine auf den Provokateur niedersaust - Cooper hat (wie vermutlich auch schon die Stones) erreicht, was er wollte. Den kalkulierten Skandal aus dem Lehrbuch legt schließlich Mitte der Achtziger Jahre Falco hin: In seinem Song "Jeanny" wird sehr eindeutig ein Sexualmord beschrieben. Zumindest finden das praktisch alle Vertreter der Elterngeneration.

Auf dem Cover prangt krimigerecht ein roter Stöckelschuh auf regennaß glitzerndem Kopfstein-Pflaster. In dem Text erzählt die Nr.1 der österreichischen Popszene eines gejagten Verbrechers die Geschichte des Mädchens Jeanny. (Bravo 1/86)

So beginnt die Bravo die Beweisaufnahme. Der Erfolg ist - auch dank der Zeitschrift - gigantisch: Das Video darf nicht gezeigt werden, viele Radiosender streichen den Song aus dem Programm. Wochenlange Debatten, auch in der Bravo, folgen - die Fünfzehnjährigen solidarisieren sich gegen die unlockeren Eltern und hieven den Song an die Spitze der Charts. Der Trick hat funktioniert wie aus dem Lehrbuch. Sieht man sich heute die Werke der Rapper aus dem Aggro-Berlin-Umfeld an - man könnte glauben, dass nicht nur das Sample in Flers "Neue Deutsche Welle" von Falco stammt…

Eine Sache hat allerdings in 50 Jahren Bravo absoluten Seltenheitswert: Wohl nie mehr in der Geschichte der Zeitschrift hat eine Band so brilliant bei der Bravo ihre Kündigung eingereicht wie 1982 die Kölschrocker von BAP. Übrigens auch ein einmaliger Otto-Gewinner - vorher.

Nach dem ersten Song geht Bassist Steve Borg an die Rampe und schnauzt unseren Fotografen an: "Verschwinde hier!" Gabowicz, der die Genehmigung zum Fotografieren zuvor bei anderen Mitgliedern des 15-köpfigen BAP-Clans eingeholt hatte, sah keine Veranlassung dazu. Zwei Nummern später: Der Jubel über den "Müsli-Mann" ist kaum verklungen, da stürmt der Bassist, ansonsten der unauffälligste BAP-Musiker, erneut ins Publikum und reißt dem verdutzten Fotografen die Kamera aus der Hand. Borg steigt wieder auf die Bühne, schmettert den Apparat mit voller Wucht auf die Bühnenbretter und tritt auch noch mit Füßen darauf herum. Dann nimmt er seelenruhig seinen Bass, den er an einen Verstärker gelehnt hatte, und spielt weiter. (Bravo 30/82)

Formal und stilistisch ausgesprochen überzeugend, könnte man meinen. Allerdings werden BAP nachher erklären, dass man es nur als störend empfand, dass der Fotograf Zuschauern die Sicht nahm und überhaupt alles tun, um das rock'n'rollige Ereignis milder erscheinen zu lassen. Die Bravo bringt im gleichen Heft sogar noch ein Poster, kündigt an, man sei "der Band nicht gram", will die Sache aber trotzdem nicht auf sich beruhen lassen - vor allem, weil Borg sich nicht entschuldigt. Erwähnungen von BAP in der Bravo sind seitdem äußerst rar gesät...

 

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