"Ostalgie ist erst mal Nostalgie"

Sie waren die erfolgreichste Rockgruppe der DDR: 34 Jahre Bandgeschichte, 23 Alben, mehr als 3000 Konzerte in mehr als 20 Ländern - die Puhdys waren sozialistische Superstars. Inzwischen sind Sänger Dieter "Maschine" Birr, Keyboarder Peter Meyer, Schlagzeuger Klaus Scharfschwerdt und die anderen selbst "Alt wie ein Baum", wie sie einmal gesungen haben. Aber auch nach der Wende ruhen sich die Puhdys nicht auf ihren alten Hits aus - mit einer Einschränkung allerdings: 50 bis 60 Konzerte im Jahr müssen kurz vor der Rockerrente reichen.

Frage: Euer neues Album besteht ausschließlich aus Songs anderer Ost-Bands, die Ihr Euch zu Eigen gemacht habt. Warum?

Birr: Einfach aus Spaß. Damals 1969 waren unsere ersten musikalischen Versuche ja schon Cover-Versionen gewesen – von Deep Purple, Led Zeppelin, wie das damals so lief. Und wir haben so viele Platten gemacht, dass wir gesagt haben, eigentlich könnte man ja diese alten Sachen, die vielleicht schon vergessen sind, noch mal neu bearbeiten.

Frage: Auf „Undercover“ finden sich finden sich drei Stücke von „Silly“, drei von „Lift“, dazu „Über sieben Brücken musst Du gehn“ von „Karat“. Eure alten Lieblingslieder?

Birr: Ich kann das gar nicht sagen. Damals war die Zeit anders: Es gab ein unheimlich großes Interesse vom Publikum an den Ost-Bands, aber die Musiker haben sich meistens international orientiert. Kein Mensch wäre damals auf die Idee gekommen, eine Ost-Band zu covern, bis wir das 1982 zum ersten Mal gemacht haben. Aus diesem Grund kann ich nicht sagen, dass ich für die Songs damals geschwärmt hätte. Aber wenn man so eine Platte produziert, dann merkt man erst mal, was da oftmals für eine musikalische Substanz drinsteckt. – insofern kann man wirklich sagen, dass wir die Lieder heute besser finden als damals.

Frage: Ist „Ostalgie“ für Euch ein positiver Begriff?

Birr: Ach Gott – wir sehen uns jetzt nicht als Ostalgieband, weil wir ja auch nach der Wende viele neue Sachen gemacht haben. Aber ich bin da nicht von frei. Ich meine, die meisten Menschen haben damals ohne Sorgen gelebt. Die hatten zwei Träume: Die wollten in den Westen und die wollten sich alles kaufen können, was sie wollen. Aber der Rest war abgesichert. Und es wär jetzt verlogen von uns, wenn wir sagen würden, dass das scheiße war.

Meyer: Ostalgie ist ja auch erst mal Nostalgie – es wird bloß dann problematisch, wenn man sich drauf ausruht.

Frage: Wenn man sich Titel wie „Die verlorenen Kinder“ von „Silly“ anhört, fallen einem heute noch die Andeutungen und Bilder in den Texten auf...

Birr: Du konntest ja nicht singen „die Mauer muss weg“. Oder auch Umwelt oder Schule waren Tabus. Ich glaube „Fliegen“, ist deshalb das Wort, das in der DDR-Lyrik am meisten benutzt worden ist. Bei „Am Fenster“ von „City“ geht es da zum Schluss zum Beispiel „Flieg ich durch die Welt“. Wir hatten Titel mit „Fliegen“, jeder. Und die Leute haben sich damit identifiziert, weil für die war „Fliegen“ raus – und wenn es nur fünf Kilometer waren, nach West-Berlin.

Scharfschwerdt: Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum die Texte heute wieder alle funktionieren. Wenn Du aus einer spezifischen Zeit irgendwas Konkretes gesagt hättest, wäre das wahrscheinlich uninteressant.

Frage: Von Klaus Renft, einem anderen Ost-Rocker, gibt es das Zitat, die Puhdys seien die Band für die Angepassten gewesen. Trotzdem habt Ihr auf Eurem neuen Album drei Songs von ihm gespielt...

Birr: Renft fand ich damals schon sehr gut, weil die live unheimlich stark waren. Aber die hatten einfach einen anderen Anspruch an ihre Musik als wir. Vielleicht war da auch ein bisschen Neid dabei, weil wir mehr Erfolg hatten als die. Aber das ist vergessen, das ist dreißig Jahre her.

Meyer: Der Gerulf Pannach, das ist ein Texter gewesen, der viel für Renft gemacht hat und damals auch mit ausgebürgert worden ist – mit dem haben wir nach der Wende auch ein Album gemacht und sind uns da sehr viel näher gekommen als früher. Jedenfalls hat er einen schönen Spruch gemacht: „Renft wollten mit ihrer Musik die Welt verändern. Die Puhdys wollten einfach Musik machen. Letzteres hat funktioniert.“

Frage: Nach unserem Interview werdet Ihr weiter für die Tour proben. Was muss man nach mehr als 3000 Konzerten eigentlich noch üben?

Birr: Die Lieder von dem neuen Album müssen wir schon noch proben. Ansonsten: Die alten Stücke, so „Alt wie ein Baum“ oder „Geh zu ihr“, die sitzen natürlich, da muss man nichts mehr dran tun.

Frage: Gibt es ein Fitness-Programm?

Meyer: Ich bin der einzige, der was macht – ich surfe, aber nur bei 30 Grad und Windstille. Bei Maschine sind wohl die Konzerte das Fitness-Programm.

Frage: Inzwischen geht Ihr alle hart auf die sechzig zu. Wird es weitergehen oder kann man das Cover-Album als Schlussstrich sehen?

Meyer: Nein, wir wissen nicht, wann Schluss sein wird. Und im Moment kommen die Leute ja auch noch zu unseren Konzerten. Jedenfalls haben wir ja nächstes Jahr 35-Jähriges und da müssen wir auf jeden Fall noch mal was großes, eigenes machen. Zum 40-Jährigen könnten wir mit den Stones auf Tour gehen...

 

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