Eitelkeit geht gar nicht

Falls Sie in Berlin wohnen, könnten Sie Friederike Kempter aus der "MenschZitty"-Plakat-Kampagne kennen. Nebenbei ist sie die Kleine, Mädchenhafte, die in den Münster-Tatorten die Assistentin des Kommissars spielt. Leider ist das alles erst passiert, nachdem dieser Text entstand - und so ist er auch nirgendwo erschienen.

„Ich würde mich jetzt noch gar nicht Schauspielerin nennen“, entgegnet Friedrike Kempter, als die Berufsbezeichnung zum ersten Mal auftaucht. Denn zum einen ist sie gerade zum zweiten Mal durch die Aufnahmeprüfung zur Schauspielschule gefallen und überhaupt hat sie vom Theater geträumt, seitdem sie ein kleines Mädchen war – und nicht vom Fernsehen, wo sie fürs erste gelandet ist.

Allerdings darf man in der Bemerkung trotzdem ein wenig Koketterie vermuten: In „Liebesau – mitten in Deutschland“ hatte sie zum Beispiel eine der Hauptrollen. In dem als eine Art „Heimat – Ost“ hoch gelobten ZDF-Mehrteiler hat die 21-Jährige vor einiger Zeit die junge Greti Fechner verkörpert, die Rolle, die Katharina Thalbach als Erwachsene gespielt hat. Für die Hauptrolle im Sat-Eins-Movie „Zwei vom Blitz getroffen“ gab es gute Kritiken in großen Zeitungen, dazu kommen diverse weitere Auftritte in Fernsehfilmen und Serien. Nicht genug, um ein Star zu sein, aber immerhin genug, um seit zwei Jahren gut davon leben zu können.

Dass es soweit gekommen ist, ist allen Träumen zum Trotz das Resultat eines ziemlichen Zufalls: Mit 19 nahm sie an der Verlosung einer Zeitschrift teil und gewann einen fünftägigen Schauspiel-Schnupperkurs. Der Agentur gefiel ihre Art, also fand sie sich nicht lange danach im Ensemble der Serie „Die Schule am See“ wieder. Im Nachhinein nicht gerade eine Traumrolle, aber immerhin der Einstieg ins Geschäft. Bereits in der ersten Rolle manifestierte sich allerdings etwas, das seitdem zu einer Art Running Gag in ihrem Leben geworden ist: „,Uäähh! Das kotzt mich an’ habe ich glaube ich schon tausendmal in einer Rolle gesagt“, erinnert sie sich an die immer wiederkehrende Besetzung als Schülerin.

Blöd, wenn man fast 22 ist und diese Phase seines Lebens eigentlich gerade hinter sich gelassen zu haben glaubte. „Als ich noch jung war“, sagt sie ziemlich häufig, wenn sie von früher erzählt. Allerdings sieht sie nun einmal so aus, wie sie aussieht: Klein, zierlich, mädchenhaft, große Augen und im ersten Moment ein bisschen unnahbar. Die Stimme ist weich, das „S“ verrät die Herkunft aus der Nähe von Stuttgart und auch mit betont sexy Kleidung lässt sich der Rest an Klein-Mädchen-Appeal nicht loswerden.

Ist sie gut? Friederike Kempter selbst kann es auch nicht so genau sagen. Beim ersten Anschauen, ist für sie jeder Film, in dem sie auftaucht, schlecht, frühestens nach dem zweiten Mal ist sie halbwegs zufrieden. Aber sie hat schon erfahren, dass der Beruf einem ganz schön auf die Pelle rücken kann. Ernsthaft Schauspielen heißt, die Dinge nicht nur zu markieren wie der Star in einer Daily Soap, sondern sich in die Stimmungen, die gefragt sind, wirklich hineinzuversetzen – und trotzdem die nötige Distanz zu wahren. Wenn das nicht funktioniert, passieren Dinge in in dem Jugendstück, in dem sie ein jüdischen Mädchen spielte, und in dem ihr Nazi-Widerpart so viel Druck aufbaute, dass ihre Panik-Attacke nicht mehr nur gespielt war. Das Zittern ging erst wieder weg, als der Regisseur die Szene schon längst abgebrochen hatte.“Man muss die Balance halten“, hat sie daraus gelernt, „man muss es wirklich fühlen und trotzdem spielt man es. Es darf nicht sein, dass man danach zwei Tage heult und Depressionen hat.“

„Du darfst nicht eitel sein, während Du spielst. Du darfst Dich dabei nicht selbst beobachten“, ist eine weitere Erkenntnis, die sie formuliert, um sich direkt danach über die geflochtenen Zöpfe zu gruseln, die ihr in „Liebesau“ in die Frisur gesteckt wurden. „Im wahren Leben bin ich ziemlich eitel. Das ist das Blöde: Dass Du weißt, wegen Deines Aussehens kommt ein großer Teil der Rollen für Dich überhaupt nicht in Frage. Man darf nicht anfangen zu grübeln ,war ich zu schlecht oder war mein Hintern zu dick?’“

Was wäre überhaupt, wenn es nicht funktioniert? Wenn es eine schlechte Kritik gegeben hat und man Angst hat, sich irgendwann mit 45 irgendwo als Kellnerin wiederfindet? „Klar, Zweifel ist immer“, meint Friederike dazu. „Wenn es nicht läuft, fragt man sich, ob es sich lohnt festzuhalten an diesem Traum.“ Aber sie will auf jeden Fall kämpfen. Wenn mal wieder etwas Leerlauf ist, bereitet sie sich weiter auf Aufnahmeprüfungen vor und überlegt, ob sie nicht anfangen soll Geschichte zu studieren, „so volkshochschulmäßig“ und ein bisschen um ihre Eltern zu beruhigen.

Außerdem gibt es ja Hoffnung: In ihrem neuesten Projekt darf sie endlich mal eine erwachsene Frau spielen. Eine, die sogar ein Jahr älter ist, als sie selbst im echten Leben.

 

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