Wohnbau auf goldenem Boden

Für eine noble Adresse geschrieben, aber nie veröffentlicht. Warum, werden wir wohl nie erfahren.

Des einen Leid, des anderen Freud? Mieterinitiativen befürchten, dass durch den Ausstieg des Landes Berlin aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau Bewohner aus ihrem bisherigen Umfeld verdrängt werden könnten. Doch dass es zu größeren Wanderungsbewegungen kommt, ist unwahrscheinlich.

Zwar ist noch nicht klar, wie hart das Land Berlin den Ausstieg aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau gestalten wird. Doch ein Szenario gilt für alle Varianten als sicher: Eigentümer, deren Wohnungen nicht weiter gefördert werden, werden die Mieten wohl zügig vom bisherigen subventionierten Niveau auf die ortsübliche Vergleichsmiete anheben.

Statt bisher vier bis fünf Euro pro Quadratmeter wären dann in besseren Lagen von Steglitz oder Wilmersdorf knapp neun Euro möglich. Macht für eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 90 Quadratmetern eine Mietsteigerung von mehr als 300 Euro pro Monat – zumindest für einen Teil der jetzigen Mieter wohl nicht mehr zu verkraften.

Andererseits sind gerade im Ostteil der Stadt vielerorts deutlich mehr Wohnungen verfügbar als vermittelt werden können. In den Großsiedlungen Hellersdorf und Marzahn beträgt der Leerstand deutlich mehr als zehn Prozent.

„Wir würden uns über Zuzüge natürlich freuen“, meint Erika Kröber, Pressesprecherin der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn. Allerdings geht sie nicht davon aus, dass Wanderungsbewegungen die Probleme des Plattenbaus lösen können. Zwar sieht eins der von Finanzsenator Thilo Sarrazin angedachten Konzepte Umzugsbeihilfen für betroffene Mieter vor. Doch auch Christa Fluhr vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sieht die „Platte“ nicht als Gewinner der Förderungsdebatte – aus einem einfachen Grund: „Leute aus dem Westen Berlins gehen nicht in den Osten.“ Die Bindung der Bewohner an „ihren“ Teil der Stadt sei zu tief verwurzelt. Zudem seien viele Mieter in der Lage, auch die Vergleichsmiete aus dem Mietspiegel aufzubringen, so Fluhrs Einschätzung – und in der Tat sprechen für Wohnlagen wie etwa am Tegeler See nicht an erster Stelle die günstigen Kosten.

Dazu kommt, dass der Leerstand im Osten vor allem Wohnungen betrifft, die nicht oder nur zum Teil saniert sind. Dank kreativer Maßnahmen zur Aufbesserung von Ausstattung, Service, Image und Wohnumfeld beträgt der Leerstand in den bereits aufgearbeiteten Teilen der Siedlungen meist auch nicht mehr als die in Berlin üblichen vier Prozent. Wirklich profitieren von den Wanderungsbewegungen könnten daher eher die weniger angesehenen West-Bezirke wie Wedding oder Neukölln, wo die Mieten bei zentralerer Lage vielfach auf dem gleichen Niveau liegen wie in der unsanierten Platte.

Dass es im sozialen Wohnungsbau überhaupt zu kalkulierten und geförderten Kostenmieten von bis zu 21 Euro pro Quadratmeter kam, geht auf ein Fördersystem aus alten West-Berliner Zeiten zurück: Statt wie andernorts mit zinsgünstigen Landesdarlehen, finanzierten Bauherren ihre Projekte über normale Bankdarlehen. Für die Förderung wurde eine Kalkulation über die zur Deckung der Kredite nötigen Einnahmen eingereicht – das Land übernahm bis zu einer Obergrenze die Differenz zum politisch gewollten Mietniveau und sicherte zusätzlich einen Teil der Darlehen mit Ausfallbürgschaften ab.

Mieterinitiativen protestierten bereits zu Anfang der Achtziger Jahre gegen die kurzfristig für das Land preiswertere Vorgehensweise. Begründung: Durch das System der Erstattung von Differenzen fehlten nach Ansicht des Mietervereins die Anreize, möglichst preisbewusst zu bauen. In der gesamten Kostenkette vom Grundstück über die eigentlichen Bauarbeiten bis hin zu den Kreditkonditionen, so die Befürchtungen, werde nicht so hart kalkuliert wie eigentlich möglich.

Dass sich unter dem Druck des hohen Neubaubedarfs vor und kurz nach der Wende und im überschaubaren Markt im alten West-Berlin die Obergrenzen mit der Zeit immer mehr in die Höhe schaukelten, mag auch BBU-Sprecherin Fluhr nicht bestreiten. Allerdings verweist sie darauf, dass einmal aufgestellte Regeln auch im Nachhinein noch befolgt werden müssten.

Rein rechtlich dürften vom Wegfall der Förderung betroffene Vermieter den Preis der Wohnung sogar bis zur kalkulierten Kostenmiete erhöhen. Dass es dazu jedoch kommen könnte, glaubt niemand der mit dem Thema Befassten. Allenfalls in Einzelfällen könnten Eigentümer auf diese Idee kommen, Häuser so zu „entmieten“ und dann als Eigentumswohnungen zu vermarkten, meint etwa Reiner Wild, stellvertretender Geschäftsführer der Berliner Mietervereins.

In den Plattenbau-Quartieren Marzahn und Hellersdorf setzt man daher vor allem darauf, dass die EU-Erweiterung Richtung Osten der Stadt das prognostizierte Bevölkerungswachstum bringt. Weitere Sanierungs- und Marketing-Maßnahmen sollen die Stellung am Markt verbessern - auch die im Rahmen des „Stadtumbau Ost“ beschlossenen Abrisse sollen wie geplant vollzogen werden.

 

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