Auf nüchternen Magen

Stefan Rupp ist lokale Prominenz und Berliner Privatradio-Urgestein. Ich fand die Idee recht charmant, anlässlich seines Zehnjährigen als Morning Man ein Porträt über ihn zu schreiben. Der Redakteur, der den Text dann ablehnte, sagte so etwas wie: "Ich hatte mir ja schon gedacht, dass der nicht interessant genug ist." Naja - urteilen Sie halt selbst.

Kennen Sie den Unterschied zwischen vier und fünf Uhr morgens? „Um fünf Uhr morgens zum Sender zu fahren, ist in Ordnung. Da ist schon Leben auf der Straße, das hat was normales. Um vier Uhr, da sind nur Nachtbusse unterwegs.“ Deshalb ist Stefan Rupp nicht unbedingt böse darüber, dass er seit kurzem nur noch jede zweite Woche bei Radio Eins als „Morning Man“ ran muss, als Moderator der Morgensendung also.

Am 1. Februar hat Rupp Zehnjähriges. Zehn Jahre lang morgens um halb vier zwei Wecker ausmachen, eine Kiwi, einen halben Liter Buttermilch, kurz unter die Dusche und ab in den Sender. Bloß keine feste Nahrung – die macht entweder den Mund trocken oder sorgt für so viel Speichelfluss, dass die Moderation viel flüssiger wird, als man das gerne hätte. Verschlafen hat er in der Zeit nur zweimal, dafür fragen ab und zu Bekannte nach, ob sich der Moderator überhaupt noch unter den Lebenden befindet – wer gezwungen ist, spätestens um zehn Uhr abends im Bett zu sein, gefährdet auf die Dauer seine sozialen Kontakte.

Dafür spielt Rupp quasi Champions League: Die Zeit zwischen sechs und neun Uhr morgens ist im Radio die mit den höchsten Einschaltquoten und die, zu der sich für Werbespots die höchsten Preise erzielen lassen. Deshalb ist die „Morning Show“ für die gut 20 Stationen im Berliner Raum Hauptkampfgebiet. Hier wird der höchste Aufwand getrieben – oft gehen 80 Prozent des Gesamtbudgets in den Morgen. Stimmen die Quoten nicht, kann der Stuhl des Moderators schnell zum Schleudersitz werden. Für die Guten existiert dagegen ein regelrechter Transfermarkt.

Um sich zehn Jahre lang auf diesem Level halten zu können, war allerdings der eine oder andere Identitätswechsel nötig: Die ersten Jahre wirkte er als verspielt-prolliger „Funkmaster Confetti“ bei Kiss FM, dann schlicht als „Stefan“ bei Energy 103,4. Im hohen Radio-Alter von damals 31 Jahren kam schließlich vor drei Jahren das Angebot des öffentlich-rechtlichen Radio Eins, wo seitdem neben Schlagfertigkeit auch der Intellekt gefragt ist.

Dass es überhaupt so weit kam, ist in letzter Konsequenz das Resultat eines Studentenjobs als Hausdetektiv im KaDeWe. Denn dort traf er jemandem, der ihm einen Job als Flyer-Verteiler und Karaoke-Moderator bei „Joe am Kudamm“ besorgte. Über Kontakte aus dem Karaoke-Laden ging es als Verkäufer von Werbezeiten zum damals in Gründung befindlichen Kiss FM – und nachdem dort wenige Tage vor dem Sendestart das ganze Team wegen eines Betrugsversuchs der Geschäftsführer entlassen wurde und sonst rein niemand mehr da war, fand sich Rupp als „Morning Man“ und Interims-Programmchef wieder. Übrigens zusammen mit Christoph Azone, damals alias „Mallorca Joe“, mit dem er heute wieder bei Radio Eins moderiert.

„Ich habe den Morgen nur gemacht, weil ich durch meinen Job als Detektiv als einziger das frühe Aufstehen gewöhnt war“, meint der 34-Jährige dazu und klingt dabei fast ein bisschen sentimental. Überhaupt macht er nicht unbedingt den Eindruck eines berufsmäßigen Lautsprechers, sondern wirkt eher zurückgenommen, sobald kein Mikrophon in der Nähe ist. Auch die Stimme klingt leiser als aus dem Lautsprecher. „Ich finde das sehr angenehm“, meint Rupp. „Schließlich habe ich nie in die Öffentlichkeit gedrängt. Schon als Kind habe ich die öffentlichen Klaviervorspiele gehasst.“

Auch Radio Eins treibt für den Morgen hohen Aufwand: Neun Leute, vom Ablaufredakteur über den Producer bis hin zur Wetterfrau arbeiten an der Sendung. Dazu kommen feste Interviewgäste wie Friedrich Küppersbusch, Henryk M. Broder oder Fitness-Guru Ulrich Strunz. Die Quoten könnten trotzdem besser sein: Zwar steigerte sich die durchschnittliche Hörerzahl unter der Ägide von Rupp und Azone von anfangs 34 000 auf 48 000 in der letzten Media-Analyse. Verglichen mit den 178 000 von BB Radio oder den 166 000, die r.s.2 mobilisieren kann, sind das allerdings eher Peanuts. Auch das ebenfalls öffentlich-rechtliche Radio Fritz schafft 131 000. Und da in diesem Jahr auch noch die Fusion zwischen SFB und ORB ansteht, könnte es sein, dass danach für das Morgen-Team wieder ein Wechsel ansteht. Stefan Rupp sieht das nach zehn Jahren alles relativ entspannt - und wenn wirklich alle Stricke reißen, gäbe es ja auch noch einen Job, auf den er sich dann ganz konzentrieren könnte: Den als DJ auf der Hafenbar-Schlagerveranstaltung „Stimmen in Aspik“.

 

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