Spione ausspionieren

Und wieder "dumm gelaufen": Absprachen sind wohl dazu da, falsch verstanden zu werden.

Den Big-Brother-Award haben sie der Technologie in diesem Jahr schon verliehen – aber bei bloßem Protest wollen es die Gegner von geschwätzigen Funkchips nun nicht länger bewenden lassen: Der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs FoeBuD plant den Bau von Detektoren, mit denen sich Waren-Wanzen aufspüren lassen.

Es klingt ein bisschen nach Orwell und ist doch nur simple Funktechnik: „Tags“ sind Miniaturchips, mit denen sich Informationen ohne Berührung und Sichtkontakt an ein einige Meter entferntes Lesegerät übermitteln lassen. Die Prozessoren brauchen keine externe Energieversorgung, sind billig herzustellen und dermaßen winzig und flexibel, dass sie sich direkt in alle möglichen Arten von Produkten und Verpackungen integrieren lassen.

In der Flugsicherung wird die Technologie seit Jahren verwendet, auch als elektronische Schlüssel kommen „Tags“ zum Einsatz. Auch der Handel hat den Nutzen der Chips bereits erkannt: In einem Extra-Markt in Rheinberg nördlich von Düsseldorf testet die Handelskette Metro derzeit den Einsatz der Mini-Transponder als Waren-Marker. Die Vorteile für Händler und Kunden liegen auf der Hand: An der Kasse übermitteln die Chips, welche Waren sich in Einkaufswagen oder Jackentasche befinden, der Preis wird gleich mitgesendet. So lassen sich Kassiererinnen einsparen, das zeitraubende Einscannen der gekauften Artikel entfällt und die Diebstahlsquote dürfte sich durch den Einsatz der Technologie auch senken lassen.

Allerdings: Gerade in Kombination mit Kredit- oder Kundenkarten lassen sich so auch ausgefeilte Kundenprofile erstellen. Was kauft Mann oder Frau? Empfänglich für Sonderangebote? An der Kasse noch schnell ein Schokoriegel? So lassen sich nicht nur Werbemaßnahmen quasi auf den Leib schneidern. Im Prinzip wäre es auch möglich, jedem einzelnen seinen eigenen Preis zu machen, je nachdem wie dringend er etwas braucht und wie es um das persönliche Einkaufsverhalten bestellt ist. Den Metro-Konzern als Initiator des Versuchs belohnte der Verein in diesem Jahr denn auch mit einem der von ihm verliehenen Big-Brother-Awards.

Richtig unangenehm wird es aber, wenn man bedenkt, dass die „Tags“ durch ihre Größe quasi unsichtbar verbaut werden können – und das in so ziemlich jedem Gegenstand. Eigentlich das perfekte Schnüffel-Tool für den Masseneinsatz. Doch genau hier setzt das Konzept des FoeBuD an: Der Verein plant den Bau eines Detektors, der die kleinen Alleswisser und die zum Empfang der Daten nötigen Lesegeräte aufspüren und laut Alarm schlagen soll – eine Art Geigerzahler für die „Tags“.

Technisch wäre das nicht viel mehr als ein Funkscanner, der die Frequenzen überwacht, die von den Funkchips genutzt werden – so klein, dass er an den Schlüsselbund oder in die Brieftasche passt. Eine Machbarkeitsstudie für den Bau existiert bereits, zusätzlichen Rückenwind bekam die Entwicklung jetzt dadurch, dass die stiftung bridge das Konzept im Rahmen eines Ideenwettbewerbs mit 15 000 Euro belohnte. Gesucht war die beste Idee für eine Kampagne, die auf Einschränkungen der Bürgerrechte im digitalen Raum aufmerksam macht. Und, so die Stiftungslogik, was macht besser auf eine Technologie mit Missbrauchspotential aufmerksam als ein aufdringlicher Signalton, der immer dann ertönt, wenn ein „Tag“ erkannt wird?

Mit dem Preisgeld hofft man, zumindest bis zum Prototypenstadium zu kommen. Trotzdem sind weitere Spenden durchaus erwünscht. Dabei haben auch die Initiatoren erkannt, dass es durchaus Charme haben kann, wenn zum Beispiel das T-Shirt dank des Chips der Waschmaschine sagen kann, wie heiß es gewaschen werden möchte. „Es geht nicht darum, den Einsatz zu verhindern“, erläutert Jury-Mitglied Jeanette Hofmann vom Berliner Wissenschaftszentrum, „sondern darum, dass man weiß, was man so mit sich herumträgt.“

Man wolle aufmerksam machen und Einfluss auf die Entwicklung nehmen, ergänzt Rena Tangens vom Verein. Ein Baumuster, das die Chips durch die Aussendung von Störsignalen unbrauchbar machen würde, wurde deshalb wieder verworfen. Aber da ist zum Beispiel die Beteuerung der Initiatoren des Supermarkt-Versuchs, dass sich die Metro-„Tags“ jenseits der Ladentür selbst deaktivieren würden. Vertrauen ist gut – Kontrolle aber besser. Und genau für die soll der Detektor sorgen.

Mit subversiven Aktionen gegen die Neugier der Einzelhandelsketten hat FoeBuD übrigens Erfahrung: So brachte man bereits die „Privacy Card“ in Umlauf - nichts anderes als eine geklonte Payback-Card, mit dem kleinen Unterschied, dass die Einkäufe aller rund 2000 Nutzer ein und derselben Kundennummer gutgeschrieben werden. Das sorgt für Rabattpunkte im Übermaß. „Und das Kundenprofil, das dabei zustandekommt, möchte ich gerne mal sehen“, meint Tangens.

Allerdings – und das ist schon abzusehen – kommt es wirklich zum massenhaften Einsatz von Funkchips als intelligente Etiketten, wird die Macht des Detektors Grenzen haben. Im Supermarkt selbst sollte man ihn wohl besser ausschalten.

 

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