Tooncafé oder die zweite Pubertät

Eine Geschichte, die so lange im Stehsatz stand, bis das zugehörige Ressort abgeschafft war...

Zwei Teenies sind es, denen Regina Mischeff und Stefan Atzenhofer einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Existenz verdanken. Cora und Nessie heißen sie, sie sind beste Freundinnen - und eigentlich schlagen sich bloß mit genau den gleichen Problemen herum, die andere andere Mädchen in ihrem Alter auch haben. Der erste Schwarm und die Frage, wie man ihm das klarmacht, Klamotten, Stars, die Sorge um das eigene Aussehen und nicht zuletzt Coras schlicht Satan genannter kleiner Bruder, der in der Lage wäre, jedem den Nerv zu töten.

Alle 14 Tage erscheinen die Abenteuer von "Cora & Nessie" in der Zeitschrift "Mädchen". Der erste Sammelband ist bei Ehapa erschienen, am zweiten werkeln Mischeff und Atzenhofer gerade. Zusammen mit Bürokatze "Dr. Wuschel" aus dem Tierheim sind die 31-Jährige und der 33-Jährige das "Tooncafé", angetreten, um aus einer zum Büro umfunktionierten Schöneberger Altbauwohnung die Welt mit Cartoons, Comics und Illustrationen zu beglücken.

Dabei könnte man aus der Geschichte, wie sich Grafiker und Grafikerin kennenlernten, eigentlich selbst einen Comic machen - nur, dass viele den heute wahrscheinlich nicht lustig finden würden. So wie man sich an die eigene Pubertät auch eher mit gemischten Gefühlen erinnert: Mitte der Neunziger, als die Anlegergelder begannen, in Strömen zu fließen, liefen sie sich in einer Trickfilm-Produktion über den Weg. Atzenhofer war damals seit zwei Jahren mit seinem Studium fertig, hatte als Comicautor schon den einen oder anderen Preis gewonnen und fand sich schließlich in Potsdam-Babelsberg auf dem Stuhl eines Creators und Art Directors wieder. Die von ihm mitentwickelte Figur "Stevie Stardust" sollte hier in Form einer 3D-Fernsehserie für Kinder das Licht erblicken.

"Einige von denen, die damals rechtzeitig gegangen sind, haben dann später einen Oscar in den Händen gehalten und andere schöne Dinge", erinnert sich der Bayer - etwa als Spezialisten für Animation in "Titanic" oder "Der Herr der Ringe". In Potsdam allerdings gingen nach fünf Jahren die Lichter aus. Das Geld war verbrannt, übrig geblieben waren lediglich ein komisches Gefühl und sechseinhalb "Stardust"-Folgen, die niemals irgendwo gesendet wurden.

Für Mischeff und Atzenhofer blieb die Aussicht, sich wieder als Freelancer durchzuschlagen und, da man vorher gut zusammengearbeitet hatte, die Ahnung, dass das zu zweit wahrscheinlich einfacher gehen würde als alleine. "Cora & Nessie" ist dabei nur eins von mehreren Konzepten, die das Tooncafé entwickelte, um an den Start zu kommen. Aber bis jetzt sind die beiden Mädels das, das am besten funktioniert. "Die beiden sind natürlich verschieden, schon um möglichst viele Mädchen anzusprechen", erläutert Mischeff den Grundgedanken. "Die Blonde ist ein bisschen mehr auf Schönheit aus, ein bisschen hipper. Dagegen ist Nessie ein bisschen schüchterner und im Vergleich nicht so die Beauty-Queen." In den Strips manifestiert sich das darin, dass Cora des öfteren mal angegraben wird, während Nessie versuchen muss, ihren Schwarm als Nachhilfelehrer ins Zimmer zu lotsen, obwohl sie doch selbst fast nur Einsen auf dem Zeugnis hat.

Vieles was sich bei "Cora & Nessie" wiederfindet, kommt dabei direkt aus der Teenie-Zeitschrift selber -etwa die Stars, die von Sarah Connor bis Robbie Williams immer mal wieder als Gastrolle in die Cartoons eingebaut werden. Den Rest muss das Tooncafé aus seinem eigenen Erwachsenwerden ziehen, wobei Atzenhofer der Part zukommt, die Unsicherheiten der bei "Cora & Nessie" natürlich ebenfalls zahlreich vertretenen Jungs zu illustrieren.

Dazu kommt - eigentlich wieder einen eigenen Comic wert - das, was wohl jeder Freelancer im kreativen Bereich kennt: Vom morgendlichen Check der Kontoauszüge nebst dem Ärger über Kunden, die zwar gerne bestellen, das Bezahlen aber gerne mal bis nach der siebten Erinnerung vergessen, über das Klinkenputzen am Telefon und die Auseinandersetzung mit oft ebenso impertinenten wie inkompetenten Redakteuren, die ganz genau wissen, was "unsere Leser nicht sehen wollen", bis hin zu purem Irrsinn. Mischeff, an der so etwas meistens hängenzubleiben scheint, erinnert sich zum Beispiel mit Grausen an die Ressortleiterin einer renommierten deutschen Publikumszeitschrift, die die Vorstellung des ersten "Cora & Nessie"-Bands von der Meinung ihrer kleinen Tochter abhängig machen wollte. Dazu kommt, dass das Cartoon-Geschäft gerade im Tageszeitungsbereich von Multis beherrscht wird, die von "Calvin & Hobbes" bis "Hägar" alles bieten können, was der Leser schon seit Jahren kennt. Gesichtslos, aber billig - "wir versuchen stattdessen, Qualität statt Quantität zu bieten", meint Mischeff

Aber noch etwas könnte sich für das Tooncafé irgendwann zum Problem entwickeln. Cora und Nessie werden zwangsläufig älter, erleben vieles und werden damit irgendwann aus der "Mädchen"-Zielgruppe heruasgewachsen sein. "Geburtstag hatten sie jedenfalls noch nicht", meint Atzenhofer dazu. "Und Donald Duck hat die Millionen, die er zwischendurch in den Folgen mal hatte, ja auch immer wieder verloren..."

 

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