Handgranate im Nacken

Ein Geiselnehmer kapert einen Geldtransporter und igelt sich mit Geiseln in der Aachener Landeszentralbank ein. Drei Tage dauert das Drama.

Kurz nach 11 Uhr weicht die Anspannung auf den Gesichtern der SEK-Beamten vor der Landeszentralbank in Aachen langsam der Erleichterung: Helme werden abgenommen, Zigaretten angezündet, schusssichere Westen verschwinden in den Kofferräumen schwerer Limousinen. Trotz der Wachablösung um 1 Uhr in der Nacht - nach 50 Stunden Geiseldrama ist nicht nur der Täter an den Grenzen seiner Kraft angekommen.

Dass der Geiselnehmer, der 46-jährige Adnan Hodzic aus Bosnien, zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr lebt, wird erst einige Minuten später bestätigt. Bekannt ist nur: Der Fluchtwagen ist gestoppt, Schüsse sind gefallen - und auch die letzte von ursprünglich drei Geiseln, der 41-jährige Geschäftsführer der Sicherheitsfirma Kötter, in der die Entführung am Montag angefangen hatte, ist frei.

Bei Sonnenaufgang hatte es die ersten Anzeichen für ein baldiges Ende des Dramas gegeben: Der Bahnhof wird erneut geräumt, die Züge angehalten. Mannschaftswagen der Polizei fahren auf und formieren eine weitere Sichtblockade zwischen Schaulustigen und Bankgebäude. Gleichzeitig wird auch die Strecke in Richtung Autobahn gesperrt, an den anderen Ausfallstraßen postieren sich zivile Ford Mondeos und Opel Vectras. Offiziell sagt die Polizei zu diesem Zeitpunkt immer noch, es werde keinen Abzug zusammen mit den Geiseln geben - in Wirklichkeit aber hat sie einen Tausch ausgehandelt: zwei der Geiseln gegen Geld und Fluchtwagen.

Gegen 10.45 Uhr umkurven zwei schwarze Mercedes mit verdunkelten Scheiben die Polizeitransporter. Die freigelassenen Geiseln kommen aus der Bank - Polizisten geleiten sie in einen Krankenwagen, der sofort abfährt. Dann hört man einen dumpfen Knall.

Was genau passiert ist, klärt die Polizei erst am Nachmittag auf: In der Tiefgarage springt der Geiselnehmer in den Fluchtwagen und gibt entgegen der Absprache sofort Gas - zusammen mit der letzten Geisel, die mit dem Daumen den Bügel einer entsicherten Handgranate herunterdrücken muss. Doch auf der Straße stoppen Beamte den Flucht-Mercedes. Täter und Opfer steigen aus, noch einmal versuchen Polizisten, den Geiselnehmer zur Aufgabe zu bewegen. Auf dem nahe gelegenen Bahndamm sieht einer der Scharfschützen seine Chance. Er drückt ab - die Geiselnahme ist zu Ende.

Mit extrem hohem Risiko hat die Polizei das Drama nach 50 Stunden beendet: Sie selbst rechtfertigt die Aktion damit, dass der Geiselnehmer mit zunehmender Dauer immer unberechenbarer geworden sei. In der Nacht habe er aus Versehen eine Granate explodieren lassen - dabei wurde die 30-jährige Sekretärin verletzt. Außerdem hatte der Bosnier schon vorher dem Fahrer der Sicherheitsunternehmens in Schulter und Oberschenkel geschossen sowie eine weitere Handgranate gezündet, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Nach dem Tod des Mannes bleiben viele Fragen offen - die Staatsanwaltschaft zweifelt daran, dass der Täter allein gehandelt hat und sucht nach Hintermännern. Eins steht aber fest: Für die Opfer ist zwar die Geiselnahme zu Ende, doch die Nachwirkungen sind nicht abzusehen.

 

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