Tod im Frühling

SFB und ORB schmeißen ihre Fernsehprogramme zusammen. Und wir gucken RBB, eine Woche, nonstop.

Manchmal sollte man dem geschätzten Leser ja doch mal erklären, wie das kommt, dass da dann das in der Zitty steht, was eben so in der Zitty steht. In diesem Fall war das so: Ich hatte irgendwann mal vorgeschlagen, etwas Lustiges über "eine Woche Überleben aus dem Internet" zu machen. Das fanden aber alle doof. Dann hatte ich etwas sehr Ernsthaftes über die Programmfusion beim RBB geschrieben. Das wurde nicht gedruckt, weil da gerade Frauenheft war. Aber die Sache hinterließ Spuren. So kam es, dass sie mir vorschlugen, ich solle doch eine Woche überleben, während im Fernsehen immer RBB läuft. Das fand ich eigentlich wieder doof. Aber ich brauchte Geld und sagte zu. Kein Wunder also, dass dieser Text vom Tod handelt.

Montag, 16:00 Uhr

Guter Dinge. Gerade hat der Zitty-Techniker den Fernseher in meinem Schlafzimmer eingestellt und verplombt. Die Verpflegung hat er auch dagelassen: Ein Kasten Bier, eine Stange Zigaretten und die Nummer vom Pizzadienst. Das muss reichen. Dann also mal los.

Montag, 17:10 Uhr, ARD-Buffet

Klasse. Sie kochen mit Frischkäse. Die ganze Woche über.

Montag, 18:30 Uhr, ZIBB

Mann, ist Britta Elm dünn geworden. Auf dem Presseball sah die doch immer so wurstpellig aus. Dann zeigen sie Frühlingsblumen und dann eine Frau, die Familien begleitet, wenn ihre Kinder sterben. Und alle reden ganz leise und langsam, wie immer, wenn der Tod ins Fernsehen kommt.

Dienstag, 20:15 Uhr, Klipp und Klar unterwegs

"Arbeiter ohne Jobs - Manager ohne Moral?" Die Moderatorin fragt einen Arbeitslosen, ob er neidisch ist auf die Gehälter der Bosse. Der Arbeitslose sagt bloß: "Ich will Arbeit haben." Rolf Hochhuth ist auch da. Aber der ist auch nicht neidisch, sondern ärgert sich nur darüber, dass die Deutsche Bank von einem Schweizer geführt wird, der irgendwas Deutsches nach Amerika verkaufen will. Was genau, das habe ich nicht verstanden.

Dienstag, 21:30 Uhr, Hauptsache Mensch

Jetzt kommt eine Frau, die ihren Mann verloren hat und nicht darüber hinwegkommt. Sie erzählt, dass sie 25 Kilo abgenommen hat und sie sieht wirklich schlecht aus. Die Kamera zeigt die Lesebrille und die Zigaretten ihres Mannes. Sie reden wieder ganz langsam und leise. Im Studio ist auch ein Traumatologe. Er sagt, dass die Frau wohl ein Trauma hat, wenn sie über den Tod ihres Mannes nicht hinwegkommt. Sein Gesicht ist genauso orange wie der Studiohintergrund. Dann suchen sie Leute, die sich selber hässlich finden, weil sie die in Bademode fotografieren wollen.

Mittwoch, 11:00 Uhr, ARD-Ratgeber Heim & Garten

Wenn der Mond aufsteigt, dann geht alle Kraft in die oberirdischen Teile der Pflanze. Wenn der Mond sinkt, geht alles in die unterirdischen Teile. Das weiß ich, weil sie gerade einen Mondgärtner interviewt haben. Ich schnuppere mal unter der Bettdecke. Muss absteigender Mond sein im Moment.

Mittwoch, 12:30 Uhr, Klipp und Klar unterwegs (Wiederholung)

Ich glaube, die Moderatorin ist selber neidisch auf die Gehälter von den Managern. Mein Pizza-Mann heißt übrigens Volcan.

Mittwoch, 13:20 Uhr, Live aus dem Abgeordnetenhaus

Strieder sagt, er will die Schwarzfahrer verringern, ohne dass der Komfort in den Bussen sinkt. Sind wir schon wieder soweit in Berlin? Dann sagt einer, dass man wegen der fünf Prozent Schwarzfahrer nicht allen auf die Nerven gehen soll. Oder so ähnlich. Ich gucke nämlich Gebärdensprache und versuche den Dolmetscher nachzumachen. Volcan sagt, das geht ganz gut.

Mittwoch, 18:30 Uhr, ZIBB

Britta hat, glaube ich, wieder abgenommen. Irgendwie sieht sie sehr hager aus. Und grau ein bisschen. Muss an die Frau aus "Hauptsache Mensch" denken. Ob mit Brittas Mann alles in Ordnung ist?

Donnerstag, 14:00 Uhr, rbb aktuell

Volcan findet, es riecht komisch bei mir.

Donnerstag, 17:10 Uhr, ARD-Buffet

Sie basteln Minimoostassen. Die Moderatorin fotografiert das mit ihrem Handy und fragt die Oberminimoostassenbastlerin, ob sie auch mit dem Handy fotografieren kann. Dann steht ein Mann vor zwei beminimoosten Pyramiden und erzählt, dass da drin die ganze Zeit an Spamfiltern geforscht wird. Aber mein Maileingang ist trotzdem immer voller Schrott. Die mampfen da drin bestimmt den ganzen Tag nur den Frischkäse, den der Koch mitgebracht hat.

Donnerstag, 18:30 Uhr, ZIBB

Oh mein Gott, ist Britta dünn geworden. Bloß noch Haut und Knochen, lange geht das nicht mehr gut. Ich beschließe, Ihr Volcans Telefonnummer zu schicken. Dann zeigen sie eine Frau, die Warzen bespricht. Ich finde, die sollten sie bei "Hauptsache Mensch" in Bademode fotografieren.

Donnerstag, 19:45 Uhr, Abendschau

"Vielleicht sind sie morgen schon Superstars", sagt die Reporterin am Ende eines Beitrags über die Band "Mia", die am Grand Prix teilnehmen will. Und dann sagt sie: ",Nicole' hat ja vorher auch kein Mensch gekannt." "Naja", sagt Friedrich Moll. Klasse nachgetreten, denke ich.

Freitag, 12:00 Uhr, Leute am Donnerstag (Wiederholung)

Ulla Kock am Brink spricht ganz leise und langsam. Gerade interviewt sie eine Frau, die den Anschlag in Madrid überlebt hat. Ulla fragt: "Sie waren doch sicher traumatisiert, oder?" Die Frau weiß es aber nicht und der Traumatologe ist wohl gerade auf einem Traumatologenkongress. Dann geht es darum, dass Männer Frauenhintern erotisch finden. Die Expertin sagt, dass die Amerikaner Busenfetischisten sind und Ulla weiß auffällig viel über Strumpfhosen, die einen schönen Po machen. Die Männer in Südamerika stehen auf dicke Kisten, sagt die Überlebende ganz leise und langsam. Wie Britta früher, denke ich. Ich sehe ganz komische Punkte. Ich glaube, der Sauerstoff wird knapp.

Freitag, Samstag, lange. Sehr lange.

Komische Träume. Delirium. Programm läuft, aber ich habe mein eigenes. Visionen von Rolf Hochhuth, der versucht, falsche Brüste nach Amerika zu verkaufen. Von Peter Strieder als taubstummem BVG-Kontrolleur. Und von Traumatologen, die immerzu riesige Hinterteile streicheln und dazu sagen: "Du musst alles rauslassen." Und Britta. Natürlich. Immer wieder Britta. Das ist alles nicht gut. Gar nicht gut.

Sonntag, 14:00 Uhr, Sorbisches aus der Lausitz

Volcan hat die Tür aufgebrochen und gelüftet, nachdem ich zwei Tage lang nicht aufgemacht habe. Gemeinsam essen wir Pizza und gucken fern. "Sorben und Schwaben sind schlimmer als Schaben", sage ich und weiß auch sofort, wo ich den Spruch geklaut habe. Finde ich übrigens gar nicht, dass das so ist. Volcan krault meinen Kopf. Klassetyp. Ich werde ihn vermissen, wenn das hier vorbei ist.

Montag, 15:30 Uhr, Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe

Geschafft! Euphorie macht sich breit. Zum Runterkommen gucke ich noch den Spielfilm und pupse mit Louis de Funès um die Wette. Gut, dass die Zigaretten alle sind. Dann klingelt das Telefon und mein Redakteur sagt mir, dass der Tagesspiegel fast die gleiche Geschichte gestern schon gedruckt hat. Bloß von einem richtig guten Autor geschrieben, mit Stil und Esprit, nicht so niveaulos wie das hier. Mir reichts. Ich gehe wieder ins Bett und mache den Fernseher an. Ich will zu Britta.

 

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